Verarschung
eine globale Supermacht wie die USA machen wollten. Und auf der anderen waren die Kommunisten, die den schwedischen Staat am liebsten gleich ganz abgeschafft und Europa in ein einziges riesiges Arbeiter-Kollektiv verwandelt hätten. Mein Vater glaubte an die Möglichkeit, diese beiden widerstreitenden Positionen miteinander zu versöhnen. Sein Traum war es, den Ansatz der Sozialisten, mit dem sozialökonomische Unterschiede angeglichen werden sollten, mit der fremdenfeindlichen Vaterlandsliebe der Nationalisten zu verbinden.»
«Nennt man das nicht Nazismus?»
«Möglich», sagte Ukea. «Aber Sløber hat immer den Standpunkt vertreten, dass wir das Gute am Nationalsozialismus nicht automatisch zusammen mit dem Schlechten ablehnen sollten. Er sagte immer: ‹Warum sollte man die wundervollen Berliner Straßenlampen von Albert Speer zerstören, nur weil sie den Weg zum Völkermord beleuchtet haben?›»
Blomberg riskierte lieber keine Antwort.
«Also habe ich versucht, der Gründungsvision meines Vaters treu zu bleiben und sie zugleich den Gegebenheiten des einundzwanzigsten Jahrhunderts anzupassen. Ich glaube, Sløbers Traum, aus Schweden eine globale Supermacht zu machen, ist nicht mehr zu verwirklichen. Dazu ist die Konkurrenz Islands mit seinen geothermischen Energiequellen und Norwegens mit dem Nordseeöl zu groß. Aber wir sind immer noch von einer Form des Kapitalismus überzeugt, in der nicht bei jedem kleinen Umsatzrückgang der Personalbestand geschrumpft wird, sondern das Kollektiv die Probleme auffängt. Deshalb ermutigen wir auch hier bei UKEA unsere Angestellten, zusammen Ski zu fahren, zusammen Tennis zu spielen, zusammen bei UKEA einzukaufen und im Fünfhundert-Meter-Umkreis einer UKEA-Filiale zu wohnen.»
«Ermutigen Sie die Leute dazu, oder bestehen Sie darauf?»
«Wir glauben, das ist ein und dasselbe. Auch das ist einer der Grundsätze der UKEA-Philosophie. Und deshalb garantieren wir hier in Schweden auch all unseren Angestellten eine komplette Gesundheitsversorgung und Bildungsförderung.»
«Aber diese Versorgungsleistungen werden doch schon vollständig vom Staat finanziert.»
«Das stimmt.»
«Und in anderen Ländern?»
«Leider können wir solch exorbitante Kosten nicht schultern. Und natürlich haben wir es in unseren eher instabilen Kundenstaaten mit sehr heiklen politischen Situationen zu tun. Aber wir garantieren unseren Angestellten in jedem Land, in dem UKEA tätig ist, ohne Ansehen von Alter, Geschlecht oder Rasse die konkurrenzfähigsten Sklavenlöhne. Und zusätzlich erhalten unsere Angestellten an den Feiertagen kostenlose T-Shirts.»
Ukea zog ein T-Shirt vom letzten Weihnachtsfest aus seinem Schreibtisch.
UKEA: Globaler Kapitalismus mit einem ☺
«Darf ich das auch behalten?»
«Ich fürchte, das ist mein letztes …»
Sieht nach einem Polyestergemisch aus.
« Und unsere Leistungsbereitschaft geht weiter als nur bis zu den Feiertags-T-Shirts. Wir pflegen außerdem die langjährige Sitte, all unseren Angestellten zu jedem zehnten Jahrestag ihrer Betriebszugehörigkeit ein attraktives Kissen mit Rentier-Motiv zu schenken. Unser Dienstjahrzehnt-Kissen ist ein begehrtes Stück, ein Zeichen des dauerhaften Engagements für das Firmenkollektiv. Möchten Sie einmal eines sehen?»
«Ja, bitte.»
Ukea nahm ein Kissen aus seinem Schreibtisch. Dieser Schreibtisch hat ja eine Menge Geheimfächer . Das viel zu dick ausgestopfte Kissen zeigte ein Rentier, das unter einem Baum graste. Blomberg musste zugeben, dass das Dienstjahrzehnt-Kissen im Vergleich zu dem T-Shirt ziemlich gut aussah. Es wäre ein hübsches Accessoire für seine Bömshüttå am Poppensee. Auf einmal hatte er vor Augen, wie sich das Kissen unter Erotikkas wohlgeformten Pobacken ausmachen würde. Fester, Stiggi, spieß mich mit deinem starken Wikingerpfahl auf! Blomberg blinzelte.
«All dies, Herr Blomberg, gehört zu unserem Firmenethos. Deshalb unterhalten wir auch ein hochmodernes Gesundheitszentrum auf unserem Gelände.»
«Das UKEA-Heim für Arbeitsplatzversehrte und geisteskranke Straftäter unter den Angestellten?»
«Ganz recht.»
«Ist das die Einrichtung, in die Twig Arssens Großvater eingewiesen wurde und in der er bis auf den heutigen Tag sitzt?»
«Ich denke schon. Und es betrübt mich, sagen zu müssen, dass auch Fröken Salamander unsere Klinik von innen kennengelernt hat. Das ist ein weiterer, weniger erfreulicher Grund, aus dem ich mich so außergewöhnlich gut an ihre Zeit bei UKEA
Weitere Kostenlose Bücher