Verarschung
gestritten. Sie war überzeugt davon, dass Opa Hitler war, und ich war sicher, dass er Stalin sein musste. Ich war so … naiv.»
«Wieso naiv? Immerhin ist dein Vater in der Sowjetunion aufgewachsen und hat für den KGB gearbeitet.»
«Das ist wahr. Ich war ja damals erst fünf Jahre alt, daher ergab es für mich keinen Sinn, dass Hitlers Sohn sowjetischer Agent werden konnte. Aber später habe ich mir die Geschichte genau angeschaut, warum, weiß ich auch nicht. Die Sache hat mich immer runtergezogen. Hitler oder Stalin – beides klang schlimm.»
«Wann wurde dein Vater denn geboren?»
«1935. Er war 56, als Chamelea und ich auf die Welt kamen. Aber noch ziemlich rüstig.»
«Von der Abfolge der Ereignisse her kann es also stimmen. Soweit ich mich erinnere, hat kein Historiker je beweisen können, dass Hitler überhaupt Kinder hatte, obwohl im Laufe der Jahre einige Vaterschaftsklagen aufkamen.»
«Deshalb habe ich mich mit meinen Recherchen auf die Mutter meines Vaters konzentriert. Sie hieß Herta Gebärmutter.»
«Gebärmutter. Das klingt irgendwie bekannt. War das nicht die Frau, die die Göttin teutonischer Schönheit in den frühen Leni-Riefenstahl-Filmen verkörperte?»
«Genau! Sie war eine Schönheit, und viele führende Nazis haben ihr den Hof gemacht. Als sie 1935 niederkam, brodelte die SS-Gerüchteküche. Goebbels schrieb in sein Tagebuch: «Der reizende kleine Junge hat einen grimmigen Blick, schwarze Haare mit einem strengen Seitenscheitel und einen Leberfleck auf der Oberlippe, der ganz klar wie ein kleiner Schnurrbart aussieht.» Und dann verschwand Herta, um erst 1936 in Moskau wieder aufzutauchen.»
«Sie war eine Spionin.»
«Offenbar hatte sie die ganze Zeit für den KGB gearbeitet. Hitlers Kind im Kreml zu haben wurde allgemein als erstaunlicher Coup angesehen, insbesondere da er als Musterbürger der Sowjetunion aufgezogen werden konnte. Leider wurde Vater nur zum Musterpsychopathen. Ohne jedes Selbstbewusstsein.»
Bubbles hatte Salamanders Erzählung mit Erstaunen zugehört. Blomberg sah ebenso verblüfft aus, nicht nur wegen der Neuigkeiten, sondern auch wegen Salamanders Offenheit. Zum ersten Mal hörte er sie zusammenhängende Sätze sagen, die keine Drohungen waren. Aber jetzt wirkte sie erschöpft und niedergeschlagen von der Tortur des Erzählens. «Tolle Familie, was?», sagte sie.
Bubbles streichelte zärtlich ihre Schultern.
Keine gute Idee , dachte Blomberg.
«Lass das bitte», sagte Salamander.
«Also, was denkst du?», fragte Blomberg. «Glaubst du, dass die Geschichte wahr ist, nach allem, was passiert ist?»
«Ich weiß verdammt nochmal gar nicht mehr, was ich denken soll», sagte Salamander leise.
Bubbles schob ihr ein Twinkie zu. Sie nahm es.
«Wir glauben außerdem, dass deine Zwillingsschwester vermutlich mit deinem Halbbruder Reinhard Niemand zusammenarbeitet. Und dass die RentierMorde mit der Suche nach Arssens Manuskript zusammenhängen. Was sagst du dazu?»
Salamander zuckte die Schultern.
«Na komm, Lizzy. Du hast uns bis hierher geholfen. Jetzt nur noch ein paar letzte Fragen. Es bringt doch nichts, sich hinter dieser ‹Krieg’s doch verdammt nochmal selbst raus, Kalle Fucking Blomberg›-Haltung zu verschanzen.»
Bubbles war überrascht, Blomberg so mit Salamander reden zu hören. Immerhin wusste er jetzt, wofür das «F» stand. Eigentlich hatte er erwartet, dass sie ihm dafür die Nase zertrümmern würde. Stattdessen seufzte sie nur. «Chamelea und Reinhard Niemand? Das kann ich mir nicht vorstellen.»
«Warum nicht?»
«Die Niemands haben uns einmal zu Weihnachten besucht. Chamelea und ich müssen damals acht gewesen sein. Sie waren so riesig und ungeschlacht und bluteten ständig alles voll. Ich erinnere mich, dass Reinhard Chameleas hölzernen Brio-Spielzeugschlitten kaputt gemacht hat. Sie schrie und schrie und verpetzte Reinhard. Mein Vater war wütend und hat Reinhard zur Strafe während des Weihnachtsessens draußen im Schneesturm sitzen lassen. Am nächsten Morgen hat Reinhard versucht, Chamelea am Frühstückstisch zu erwürgen.»
«Aber wenn Chamelea und Niemand nicht zusammenarbeiten, für wen arbeitet Niemand dann?», fragte Blomberg.
Er beantwortete sich seine Frage gleich selbst. «Ukea.»
Genau in diesem Moment betrat Wachtmeister Snorkkle die Zelle. «Zwei weitere RentierMorde, Chef.»
«Was können Sie mir über die Opfer sagen?»
«Das erste ist ein ausgewachsenes Weibchen mit großem Vorbau.» Snorkkle warf
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