Verbannt
der Säule umrahmte ein kreisförmiges Muster von miteinander verschlungenen Knoten und in den Stein geschnitzte Bilder von Zentauren-Kriegern.
„Das ist die zentrale Stützsäule“, sagte Kai. Seine ungewöhnliche Stimme klang wie aus weiter Ferne, während er die neu errichtete Säule bewundernd betrachtete. „Jedes einzelne Stück Stein, das ich für diese Konstruktion verwendet habe, hat Eponas Namen gesprochen. Ich habe sie alle nach Hause gebracht.“
„Du hörst eine Stimme im Marmor?“ Ich konnte mich nicht zurückhalten, diese Frage zu stellen.
Er lächelte mich an. „Es ist nicht wirklich ein Geräusch. Es ist mehr wie ein Flüstern in meinem Kopf.“
Ich dachte an Eponas Stimme und nickte. „Es ist ein Gefühl, aber man kann es nicht so hören wie gesprochene Worte.“
„Ja!“, stimmte er aufgeregt zu.
„Kannst du die Stimme immer noch hören?“, nahm Alanna mir meine nächste Frage aus dem Mund.
„Natürlich – der Marmor wird immer zu mir sprechen.“
Er legte seine von harter Arbeit gezeichneten Hände, die viel älter aussahen als der Rest von ihm, an die Säule und schloss die Augen. Als seine Hand den Marmor berührte, schien es, als würde der Stein erzittern. Wir schauten zu, und er streichelte die Säule. Einen Moment lang wirkte es, als verflüssigte sich der massive Stein unter seinen Händen. Es sah aus, als würden seine Hände in den Stein einsinken, als würde der Marmor unter seiner Berührung zu formbarem Ton werden. Ich beobachtete ihn genauer; ein Schimmern schien von seinem Körper abzustrahlen, beinahe wie das magische Leuchten, das ClanFintan bei seinen Verwandlungen umgab. Dann nahm Kai seine Hand von der Säule und öffnete die Augen. Das Leuchten verschwand, als hätte es nur in meiner Einbildung existiert.
„Der Marmor grüßt die Inkarnation von Epona.“ Seine Stimme klang wunderschön ernsthaft.
„Wirklich?“, fragte ich atemlos. „Darf ich ihn berühren?“
„Natürlich, Mylady“, sagte er, offensichtlich erfreut von meiner Bitte.
Ich trat näher an die Säule heran und legte meine Hände vorsichtig an die glatte Oberfläche.
„Ah ...“ Ich räusperte mich nervös. „Hallo“, sagte ich und fühlte mich neben dem riesigen Stein beinahe zwergenhaft.
Ich war überrascht, wie weich der Marmor sich unter meinen Fingern anfühlte. Aus dieser Nähe sah ich auch, dass sein Erscheinungsbild sich veränderte. Ich sah, dass er nicht einfarbig war, sondern viele verschiedene Schattierungen hatte und von Adern durchzogen wurde. Alles zusammen ergab diesen Perlmuttschimmer. Während ich den Marmor betrachtete, spürte ich mit einem Mal etwas, beinahe wie eine lauschende Präsenz, und meine Hände fühlten Wärme, die aus dem Stein kam. Dann wurde ich von einer Empfindung überwältigt, es war, als würde ich in ein warmes Becken voller Emotionen getaucht oder von den liebenden Armen einer Mutter umfangen. Meine Hände zitterten – nicht weil ich Angst hatte, sondern vor reiner Verzückung.
Dann verschwand das Gefühl, und mit einem letzten Streicheln zog ich meine Hände fort und wandte mich zu Alanna und Kai um, die mich eindringlich musterten.
„Er hat zu Ihnen gesprochen“, sagte Kai.
„Nicht wirklich gesprochen.“ Ich ließ meinen Blick über den erstaunlichen Marmor gleiten. „Aber ich habe etwas gespürt.“ Ich wusste nicht, wie ich es beschreiben sollte. „Etwas Wunderschönes“, fügte ich hinzu.
„Wann ist der Tag Ihrer Geburt?“ Kai klang aufgeregt.
„Der letzte Tag im April“, antwortete Alanna, bevor ich es konnte – und ich war überrascht, weil sie recht hatte.
Verständnis blitzte in Kais ausdrucksvollem Gesicht auf. „Ah, ein Taurean. Natürlich! Sie müssen mit der Erde wie auch mit der Göttin verbunden sein.“
Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Ich meine, ich wusste, dass ich unter dem Sternzeichen des Stieres geboren worden war, und ich hatte mir oft genug Vorträge von abgelegten Liebhabern über meine Dickköpfigkeit anhören müssen (wer hörte den Jungs schon noch wirklich zu, wenn man sie gefeuert hat?). Ich hatte Horoskopen und diesem Kram bisher nie viel Aufmerksamkeit gewidmet. Nun ja, zumindest bis vor sechs Monaten nicht.
Alanna nickte fröhlich ihre Zustimmung.
„Das ist schön zu wissen“, sagte ich ein wenig lahm.
Das Klappern von Hufen kündigte die Ankunft eines männlichen Zentauren an, den ich als einen der Kuriere meines Mannes erkannte.
„Mylady ...“ Er vollführte eine
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