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Verbannt

Verbannt

Titel: Verbannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Cast
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hielt mich. Die automatischen Türen glitten zur Seite, aber meine Füße wollten mich nicht weitertragen, also blieb die Tür offen stehen. Die kalte Luft in meinem Rücken bildete einen scharfen Kontrast zu dem aufgeheizten Mief, der aus dem Gebläse an der Decke über uns kam. Ich bemerkte nicht, dass ich weinte, bis Clint mir ein Taschentuch reichte. Ich nickte dankbar und wischte mir die Nase ab.
    „Sie war meine beste Freundin“, sagte ich nur.
    „Es tut mir leid“, erwiderte er.
    Eine Horde mit Tüten beladener Kunden drängelte an uns vorbei, und Clint nahm meinen Arm und führte mich an die Seite des gläsernen Eingangs. Verzweifelt schüttelte ich den Kopf.
    „Ich kann einfach nicht glauben, dass sie ...“ Ich hielt inne. Dass sie was? Nicht auf mich zugesprungen ist und herausgesprudelt hat: Oh, Shae, ich wusste die ganze Zeit, dass du es nicht gewesen bist. Ich habe die ganze Zeit über die Wahrheit geahnt, nämlich, dass du durch ein Loch in eine andere Dimension katapultiert worden bist und da die letzten sechs Monate verbracht hast. Bitte. Wie hätte sie sich so etwas vorstellen können?
    Ich atmete tief ein und unterdrückte die Schluchzer, die mich nach einem guten Heulanfall immer überkamen. Dann putzte ich mir die Nase und schaute zu Clint auf.
    „Ich schätze, ich sollte mich entschuldigen. Das war keine hübsche Szene.“ Ich lächelte ihn schief an, aber er sah gar nicht zu mir. Er schaute konzentriert aus den vom Boden bis zur Decke reichenden Fenstern, die sich rechts und links von der automatischen Schiebetür befanden.
    „Clint?“, fragte ich. Dann spürte ich es auch – ein inneres Jagen, das stichelte und dick und eklig war. Es fühlte sich an, als würde man einen Raum betreten, in dem in einem Loch in der Wand eine Maus gestorben war, die gerade anfing zu riechen. Ich wirbelte herum, sodass ich auch die Fenster im Blick hatte.
    Das stetige Schneetreiben war wie ein Schleier aus weißen Perlen vor dem trüben Vorhang des hereinbrechenden Abends. Das Tageslicht war während der letzten Stunden verblasst, und der graue Dunst verwandelte die Menschen auf dem Parkplatz in geisterhafte Schatten ihrer selbst. Ein Polizist half bei den letzten Handgriffen, um die Schneeketten festzumachen. Überrascht bemerkte ich, dass Suzanna und Gene nur ein paar Schritte von der Stelle entfernt standen, an der wir miteinander gesprochen hatten. Nur berührten sie einander jetzt nicht mehr. Suzanna hatte ihr Arme abwehrend vor dem Oberkörper verschränkt. Gene stemmte eine Faust in die Hüfte, während er mit der anderen wütend gestikulierte. Suzanna schüttele entschlossen den Kopf und trat einen Schritt von Gene zurück und auf das Gebäude zu. Gene streckte eine Hand aus und packte ihren Arm. Sie zogen die Blicke der vorbeieilenden Passanten auf sich.
    Aus dem Augenwinkel sah ich eine dunkle, flatternde Bewegung gegen den nächtlichen Himmel, so wie die Flügel einer Fledermaus. Mein Kopf wirbelte nach rechts, und ich blinzelte in dem Versuch, einen klaren Blick auf das zu bekommen, was ich da zu sehen glaubte. Dabei hoffte ich mit aller Macht, dass ich mich irrte.
    „Da!“ Clint deutete auf eine Stelle hinter dem festgefahrenen Auto. Anfangs sah es aus wie der Schatten des Wagens, doch dann erinnerte ich mich, dass die Sonne allmählich unterging und niemals mehr einen so riesigen tintenschwarzen Schatten erzeugten konnte.
    Der Schatten kräuselte sich und glitt vorwärts unter die mit Schneeketten bewehrten, durchdrehenden Räder des Wagens. Der Motor heulte auf.
    Dann passierte alles mit Übelkeit erregender Geschwindigkeit. Ich rannte los, aber die automatischen Türen öffneten sich nicht, und die Deckenleuchten flackerten kurz auf und erloschen dann. Im gleichen Moment sah ich, dass Suzanna Genes Hand abschüttelte. Als sie in Richtung der Eingangstüren eilte, schaute sie weiter zu Gene und rief ihm über ihre Schulter etwas zu. Sie sah nicht, dass die durchdrehenden Räder des Wagens mit einem Mal wie durch ein Wunder auf dem spiegelglatten Eis Halt fanden. Der Impala schoss nach vorne und direkt auf Suzanna zu. Sie wurde vom Aufprall nicht in die Luft geschleudert, sondern fiel stattdessen auf die Erde; der Wagen buckelte und schaukelte, als er über sie hinwegrollte.
    Ich schmeckte Galle in dem Schrei, der mir aus dem Mund gerissen wurde. Meine zu Fäusten geballten Hände trommelten nutzlos gegen das Glas der geschlossenen Tür. Dann flackerten die Lichter wieder und gingen an.

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