Verbannt
ganzen Jahre über kaschiert hatte. Und Rhiannon, die Schwindlerin, hatte ihm jetzt einen perfekten Grund geliefert, mich loszuwerden. (Gleichzeitig war ich aber auch ein bisschen froh darüber, ein weiteres Beispiel dafür entdeckt zu haben, dass Spiegelbilder sich nicht in allem ähnlich sind – woran auch immer das liegen mag, Natur versus Erziehung ... blabla.)
„Ich habe Suzanna gefragt, nicht dich.“ Ich erwiderte seinen wütenden Blick ruhig. „Seit wann antwortest du für sie?“ Auch meine Stimme war ruhig. Ich wollte hier keine peinliche Szene machen, die die Aufmerksamkeit der Wal-Mart-Kunden von sinkenden Preisen auf uns lenken würde. Ich schaute mich um und sah erleichtert, dass die anderen Leute uns gar nicht beachteten und sich darauf konzentrierten, nicht auszurutschen.
„Shae ...“ Suzannas süße Stimme sprach den Spitznamen aus, den ich seit gefühlten sechs Jahren und nicht erst seit sechs Monaten nicht mehr gehört hatte. Mein Herz wurde schwer. „Vielleicht können wir uns später treffen?“, schlug sie zögernd vor, wobei ihr Blick nervös zwischen Gene und mir hin und her glitt.
„Ich muss wirklich jetzt mit dir reden, Suz. Es ist wichtig.“ Ich schickte ihr den Notfallblick, den wir uns schon seit Jahren gegenseitig zuwarfen, wenn es wirklich ernst war. Den Blick, der sagte: Lass sofort alles stehen und liegen, irgendwas stimmt nicht. Ein echtes Freundinnen-SOS.
Zu meinem Entsetzen zuckte sie nur mit den Schultern, mied meinen Blick und sagte: „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.
„Du glaubst das nicht?“, zischte ich sie an, biss die Zähne zusammen und warf Gene einen bösen Blick zu.
„Sieh mal, Shannon“, höhnte Gene. „Du musst es einfach einsehen. Dein Leben hat sich verändert. Du hast sehr deutlich gemacht, dass Suzanna nicht in dieses neue Leben passt. Ihr habt euch auseinandergelebt. Ihr beide wart ja immer schon sehr unterschiedlich.“
Ich fühlte mich, als hätte er mich geohrfeigt. Natürlich waren Suz und ich verschieden. Deshalb waren wir ja so gute Freunde. Sie und ich gingen das Leben und Probleme von ganz verschiedenen Seiten an. Sie war eher konservativ, dachte Dinge erst einmal zu Ende, bevor sie handelte. Ich hingegen sprang kopfüber und ohne nachzudenken in jede neue Situation. Wir ergänzten einander. Ich ermutigte sie, kürzere Röcke zu tragen und ihre Meinung zu sagen. Sie forderte mich auf, einen Knopf mehr an der Bluse zu schließen und zu versuchen, ab und zu den Mund zu halten.
Das alles wollte ich ihm in sein selbstgefälliges Grinsen schreien, dann bemerkte ich Suzannas Miene. Sie bat mich, nichts zu sagen. Ungeweinte Tränen schimmerten in ihren Augen. Sie sah aus wie eine Frau, die gerade zwischen ihrer besten Freundin und ihrem Ehemann hatte wählen müssen.
Genes Hand hielt ihre, die auf seinem Unterarm ruhte, noch ein wenig fester. Sie legte ihre andere Hand auf seine. Eine Geste, die ich als die wiedererkannte, mit der sie ihn immer beruhigte. Sie hatte gewählt. Was hatte ich erwartet? Mein Leben hatte eine ganz andere Richtung eingeschlagen – eine, auf der sie mir nicht folgen konnte. Was wollte ich also von ihr? Dass sie für mich den Vater ihrer Kinder verließ? Nein, das wollte ich nicht, nicht einmal für den Fall, dass ich nicht nach Partholon zurückkehren konnte.
„Ich verstehe“, sagte ich und versuchte, meiner Stimme einen normalen Klang zu geben.
Gene schnaubte sarkastisch.
Ich ignorierte ihn und schaute weiter Suzanna in die Augen. „Es tut mir leid, dass dir in den letzten Monaten so viel Schmerz bereitet worden ist.“ Ich wollte hinzufügen, dass ich es nicht gewesen war, die ihr so wehgetan hatte, dass ich es ihr eines Tages erklären, sie es eines Tages verstehen würde, aber ich wusste, dass das sehr wahrscheinlich nicht passieren würde. Wie bei ihr hatte sich mein Fokus verschoben. Unser Leben hatte sich unwiderruflich verändert. Also lächelte ich sie einfach nur traurig an und sagte ihr die einzige Wahrheit, die ich ihr sagen konnte: „Du wirst mir fehlen. Ich liebe dich.“
Ich sah, wie ihr Mund sich anspannte, und als Gene sie an mir vorbeizerrte, beleuchteten die grellen Lichter des Supermarkts die Tränen, die über ihre Wangen liefen und sich mit den Schneeflocken vermischten.
Als ich vorwärtsstolperte, warfen die blauen und roten Lichter des Polizeiwagens aus Broken Arrow bizarre wirbelnde Figuren auf den weißen Schnee. Clint legte einen starken Arm um meine Schultern und
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