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Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Titel: Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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gesagt hast?“, gab Rasmus zurück.
    „Trotzdem
wirst du das nicht übers Herz bringen. Du kennst mich seit einer Ewigkeit!“
    „Und
es kommt mir sogar viel länger vor.“ Sein Tonfall klang hart, aber ich fühlte,
dass Sam mit seiner Vermutung richtig lag: Zwar hielt Rasmus die Pistole immer
noch auf Sams Brust gerichtet, doch dabei wirkte er eher starr als
entschlossen. Im Licht des Mondes sah er sehr blass aus, und während er auf
eine Antwort wartete, biss er die Zähne zusammen, sodass seine Kieferknochen
deutlich hervortraten.
    Sam
lachte leise, und ich war mir sicher, dass er es nicht vortäuschte. Obwohl
nicht er derjenige in Besitz einer tödlichen Waffe war, schien er dasselbe
Vergnügen zu empfinden wie eine Katze, die mit einer Maus spielt. „Dir ist
schon klar, dass das für dich die Verbannung zu den Schatten bedeuten würde,
oder?“, erkundigte er sich. „Ich glaube nicht, dass du dich da unten wohlfühlen
könntest – wie ich gehört habe, trifft man dort auf wirklich unangenehme
Zeitgenossen.“
    „Dann
wirst du mir also nicht allzu sehr abgehen“, konterte Rasmus ohne zu zögern.
    Sam
nickte nur langsam, als hätte er mit keiner anderen Reaktion gerechnet. „Weißt
du was, Raziel“, sagte er ruhig, „lass uns diesen kleinen Plausch lieber
beenden, bevor einer von uns noch unhöflich wird. Außerdem wird es allmählich
spät. Also tu, was du nicht lassen kannst“, er drehte Rasmus den Rücken zu,
„mal sehen, wie viel Schuss du brauchst …“
    Rasmus
schwieg, und es schien, als würde er auf Sams Provokation überhaupt nicht
reagieren. Erst nach einigen Sekunden bemerkte ich, wie sich seine linke Hand
öffnete und schloss, immer wieder, während er mit der anderen so fest die
Pistole umklammerte, dass sich seine Knöchel weiß unter der Haut abzeichneten.
Auf einmal ging ein Ruck durch seinen Körper, und in der plötzlichen Angst, Sam
und ich hätten uns getäuscht, machte ich mich bereit, aus meinem Versteck
hervorzuspringen.
    Dann
senkte Rasmus endlich die Pistole.
    Im
selben Augenblick fuhr Sam herum – er musste die Bewegung gehört haben, oder
vielleicht hatte er das alles schon die ganze Zeit vorhergeahnt – und machte
einen Satz auf seinen Gegner zu. Noch in der Luft holte er mit der Faust zum
Schlag aus. Rasmus gelang es zwar, sich rechtzeitig zur Seite zu werfen, doch dabei
entglitt die Pistole seinen Fingern. Scheppernd landete sie auf dem Boden und
schlitterte noch einige Meter weiter, bis sie in meiner Nähe liegenblieb.
Völlig synchron begannen die beiden Jungen in Richtung der Waffe zu stürmen,
aber dann versetzte Sam Rasmus im Laufen einen Stoß. Rasmus geriet ins
Stolpern, und Sam hechtete nach vorne, er streckte sich schon nach der Pistole
– da wusste ich, was ich zu tun hatte.
    Meine
Stimme hallte von den Felswänden zurück, als ich Rasmus‘ Namen rief; im
nächsten Moment stürmte ich nach vorne, um mich dem Abgrund entgegenzuwerfen.
Noch während ich lief, schien die Welt um mich herum in unzählige Splitter zu
explodieren, die durcheinanderpurzelten und mich nur noch einzelne erstarrte
Bilder wahrnehmen ließen: Rasmus, wie er die Arme nach mir ausstreckte, er
hatte mich fast erreicht – und dann plötzlich Sam, der den Mund zu einem
stummen Aufschrei öffnete, bevor er sich Rasmus in den Weg stellte. Es war zu
spät, um jetzt noch zu bremsen, zu spät, der Schwung zog mich über die
Felskante, und ich glaubte schon, die Geröllhalde auf mich zurasen zu sehen,
als jemand meine Hand erwischte und mich zurückriss. Mit einem dumpfen Schlag
traf Rasmus‘ Faust in Sams Gesicht, und zugleich wurde ich aus der Gefahrenzone
geschleudert.
    Mein
Kopf prallte hart gegen einen Felsen. Während die Schwärze mich langsam
ausfüllte, gellte in meinen Ohren der Schrei eines gefallenen Engels bei seinem
letzten und endgültigen Sturz.

 
    17.
Kapitel
     
    Am
Anfang fühlte es sich so vertraut an: Es war Sonntag, und ich wurde nicht vom
Klingeln des Weckers aus dem Schlaf gerissen, sondern glitt sanft vom Träumen
in einen Zustand, der kein Wachsein war, sondern irgendetwas ganz kurz davor.
Als die ersten Geräusche zu mir hindurchdrangen, waren sie in diesem warmen
Halbschlummer wie kühle Wassertropfen auf meiner Haut: überraschend klar und
nur ein ganz klein wenig unangenehm. Träge versuchte ich sie zu benennen, das
Ticken einer Uhr, Wind, der an der Fensterscheibe rüttelte, vielleicht eine
Stimme irgendwo. Allmählich gesellten sich jedoch Laute hinzu, die ich

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