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Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Titel: Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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Plans
zu nützen? Aber ich gebe dir die Chance, diesen Fehler wiedergutzumachen.
Streck die Hände aus!“
    Mechanisch
hob die Frau die Arme und hielt sie steif in die Luft, während Sam zu einem
Rucksack hinüberging, der einige Meter entfernt halb hinter einem Felsbrocken
verborgen lag. Ich kniff die Augen zusammen, um in der Dunkelheit erkennen zu
können, was Sam hervorholte: Es war ein Seil, das er der Frau über die Arme
hängte, bevor er den Saum ihres Kapuzenpullovers ein Stück in die Höhe zog.
Erst jetzt bemerkte ich, dass sie einen Klettergurt um die Hüften trug, in den
sie die Pistole geschoben hatte. Sam achtete allerdings überhaupt nicht auf die
Waffe; offenbar war er davon überzeugt, dass seine unfreiwillige Gehilfin für
ihn keine Gefahr darstellte. Sorgfältig befestigte er das Seil an dem Gurt und
überprüfte danach ausgiebig den Knoten.
    „Das
sollte reichen“, sagte er schließlich, und der spöttische Unterton verriet,
dass er vollends davon überzeugt war, wieder Herr der Lage zu sein. „Nicht ich werde derjenige sein, der für dein bedauerliches Ende die Verantwortung
trägt.“ Während er sprach, rollte er das Seil ganz aus und wand das andere Ende
um den Stamm des Baumes, der kaum zwei Schritte vom Abgrund entfernt wuchs.
Dann kehrte er zu der Frau zurück und legte erneut beinahe zärtlich die Hand
unter ihr Kinn, sodass sie den Kopf hob und ihm direkt in die Augen sah. Nach
wenigen Sekunden setzte sie sich abrupt in Bewegung und marschierte bis an den
Rand der Felskante, wo sie erneut in eine Starre verfiel. Sam hatte sie
zufrieden dabei beobachtet; nun wandte er sich Rasmus zu, der das Bewusstsein
immer noch nicht wiedererlangt hatte. Mit einem angeekelten Laut ergriff Sam
ihn an der blutverschmierten Schulter und wälzte ihn grob auf den Rücken.
Rasmus‘ Kopf rollte kraftlos zur Seite, doch Sam zerrte ihn an den Haaren
wieder herum und gab ihm dann zwei kräftige Ohrfeigen. Obwohl ich wusste, dass
er ihn damit nicht verletzen konnte, stieg ein Schluchzen in meiner Kehle hoch.
Der Mann hinter mir machte Anstalten, mir erneut den Knebel in den Mund zu
schieben, aber Sam winkte ab:
    „Lass
das. Für die folgende Vorstellung werden wir ihr Jammern gut gebrauchen
können.“
    Er
verpasste Rasmus noch einen letzten Schlag, danach richtete er sich auf und sah
sein Opfer abwartend an. Gleich darauf erkannte auch ich, dass Rasmus sich
bewegte: Ganz langsam zog er die Arme an den Körper, stützte seine Hände auf
dem schlammigen Boden ab und stemmte sich schließlich mit einem leisen Stöhnen
hoch. Einen Moment lang schien er nicht zu wissen, wo er sich befand; dann flog
sein Kopf herum, und seine Augen suchten mein Gesicht.
    „Keine
Sorge, ihr geht es wahrscheinlich besser als dir“, ließ Sam sich vernehmen,
„und es liegt bei dir, ob das so bleibt. Ich würde dir also raten, keine
Dummheiten zu machen, oder niemand wird deine Freundin mehr als hübsch
bezeichnen können.“
    Rasmus
hatte bereits Anstalten gemacht, aufzustehen, doch bei Sams Worten erstarrte er
mitten in der Bewegung und sank dann wieder auf die Knie.
    „Was
soll ich tun?“, fragte er so leise, dass seine Stimme kaum bis zu mir drang.
Dabei hielt er den Blick auf seine Hände gerichtet, als fürchtete er sich vor
Sams Reaktion, wenn er mich auch nur ansah.
    Ohne
Rasmus aus den Augen zu lassen, trat Sam zu der Frau hinüber, die so weit vorne
auf der Felskante stand, dass ihre Fußspitzen darüber hinausragten. Beiläufig
ließ er eine Hand über ihren Rücken gleiten, während er freundlich erwiderte:
    „Auf
einmal so kooperativ, Raziel …? Lily scheint völlig neue Seiten an dir zum
Vorschein zu bringen. Muss Liebe schön sein!“
    Damit
stieß er die Frau in den Abgrund.
    Entsetzt
schnappte ich nach Luft, als das Seil sich straffte, und ich befürchtete schon,
es würde ebenfalls in der Tiefe verschwinden – doch der Knoten um den Baumstamm
hielt. Einige Atemzüge lang herrschte eine unheimliche Stille. Ich starrte auf
das gespannte Tau direkt neben Rasmus‘ Kopf, das sich überhaupt nicht bewegte,
nicht einmal vibrierte. Die Frau hatte während des Fallens nicht das leiseste
Geräusch von sich gegeben, und auch jetzt war nichts von ihr zu hören. Die
Vorstellung, wie sie schweigend und reglos dort unten zwischen Himmel und Erde
hing, bereitete mir Übelkeit, und Rasmus schien es ähnlich zu gehen: Obwohl er
immer noch an derselben Stelle auf dem Boden kauerte, hatte er sich
unwillkürlich nach vorne

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