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Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Titel: Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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irgendeinem Grund erklang dann in
meinem Kopf immer eine schmalzige Filmmusik, und ich hatte das merkwürdige
Gefühl, meine Schritte beschleunigen und schließlich auf ihn zulaufen zu
müssen, um mich in seine Arme zu werfen. Was ich natürlich nicht tat, als ich
endlich bei Rasmus angelangt war. Weil ich nicht wusste, ob ich ihm die Hand
oder gar ein Küsschen geben sollte, entschied ich mich dafür, ihm stattdessen
ein bisschen zu winken.
    „Hallo“,
sagte ich, während meine Finger durch die Luft wedelten.
    „Hey“,
gab er knapp zurück und stieß sich von der Mauer ab. „Zur Auswahl stehen diese
Filme, die fangen beide um halb sechs an“, fügte er übergangslos hinzu und
deutete auf zwei Plakate. Auf dem einen machten zwei roboterartige Gebilde
Drohgebärden, das andere zeigte eine Frau im rosa Negligé, die mit gekrümmtem
Finger einen deutlich älteren, befrackten Herrn in ihr Bett zu locken versuchte.
    „Ähm,
das da“, schlug ich verlegen vor und wies auf das erste.
    „Würde
ich auch sagen“, meinte Rasmus ohne den Anflug eines Lächelns, dann reihte er
sich in die Schlange vor der Kasse ein. Ich stellte mich daneben und war
dankbar für die klebrige Fahrstuhlmusik, die aus einem Lautsprecher über dem
Ticketschalter drang; so war unser Schweigen noch halbwegs erträglich. Nachdem
wir jedoch das Kinogebäude betreten hatten und Rasmus sich nur kurz erkundigte,
welches Getränk ich haben wollte, begann ich mich zu fragen, ob er tatsächlich
schüchtern sein konnte. Ich hatte zwar nicht viel Ahnung von solchen Dingen,
aber da er mich aus heiterem Himmel um ein Treffen gebeten hatte, fand ich
doch, dass mir eine Erklärung zustand. Oder zumindest ein klitzekleines Kompliment
für mein Outfit. Als er mir schließlich wortlos eine Popcorntüte in die Hand
drückte – und nichts ist blöder, als schweigend Popcorn zu knuspern – plapperte
ich in meiner Nervosität einfach drauflos.
    „Ich
gehe ja wirklich gerne ins Kino, du auch? Leider habe ich nur selten
Gelegenheit dazu, Jinxy wird nämlich meistens nach zehn Minuten aus dem Saal
geworfen, und, na ja, alleine zu gehen ist ein bisschen armselig. Und sonst –“
Ich stockte. War ich gerade dabei, Rasmus zu erzählen, dass ich noch nie von
einem Jungen ins Kino eingeladen worden war? Er sah mich mit seinem schläfrigen
Raubkatzenblick an und wartete darauf, dass ich den Satz beendete.
    „Das
klingt jetzt, als hätte ich seit Urzeiten kein Date mehr gehabt“, murmelte ich
verlegen.
    „Und?
Ist es so?“, fragte Rasmus unbeeindruckt und führte mich zu unseren Plätzen.
    „Na
ja, es gab da einen Jungen, vor einiger Zeit … Aber das hat dann nicht mehr
funktioniert.“
    Rasmus
nickte; er schien wesentlich weniger überrascht von der Geschichte über diesen
ominösen Jungen zu sein als ich selbst.
    „Er
war aus dem Schachklub an meiner alten Schule. Ich meine, er war
Fußballspieler. Also, er hat schon auch Schach gespielt, aber nur zum Spaß, er
war kein Nerd oder so …“, ich nahm einen hastigen Schluck von meiner Cola, „wie
auch immer, und wann hattest du deine letzte Freundin?“
    „Ist
schon bald zwei Jahre her“, sagte er erstaunlich ehrlich, und ich dachte daran,
dass er damals fünfzehn oder allerhöchstens sechzehn Jahre alt gewesen sein
musste. Die Ernsthaftigkeit, die in seiner Stimme mitschwang, wollte irgendwie
nicht so recht zu meiner Vorstellung von so einer Jugendliebe passen.
Andererseits hatte ich selbst mit meinen sechzehn Jahren auf diesem Gebiet so
gut wie keine Erfahrungen vorzuweisen – wenn man einmal von einigen Küssen bei
dem Wahrheit-oder-Pflicht-Spiel absah, zu dem mich Jinxy auf einer Party
genötigt hatte.
    „Wie
war sie so?“, fragte ich, ohne zu wissen, ob es mich überhaupt interessierte.
(Irgendwie hoffte ich einfach, dass mich das einfühlsam erscheinen ließ.)
    „Außergewöhnlich“,
meinte er und warf mir einen kurzen Blick zu. Ich senkte schnell den Kopf und
starrte auf meine Füße. Meine sehr gewöhnlichen Füße in sehr gewöhnlichen,
ausgelatschten Chucks. „Aber das konnte nicht gut gehen“, fuhr Rasmus fort,
ohne etwas zu bemerken. „Es hat sich herausgestellt, dass wir zu … verschieden
waren.“ Er sprach das Wort gedehnt aus, so wie ich es schon öfter bei Jungen
erlebt hatte, wenn sie Ausdrücke verwendeten, die ihnen platt oder klischeehaft
vorkamen.
    „Und
dann?“, erkundigte ich mich höflich.
    „Dann
bin ich in diese Stadt gekommen.“ Es wirkte nicht unbedingt so, als hätte

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