Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
bemerkte, dass seine Stimme vor Panik ganz
gepresst klang, floss die Angst wie Eiswasser durch meine Glieder – wer konnte
schon sagen, wozu ein Mensch in so einem Wahn fähig war? „ Ich bin nicht
derjenige, der droht, ich nicht! Aber er hat mir gesagt, wenn ich – wenn
ich dir davon erzähle, dann …“
Krachend
flog eine Türe auf, und eine Krankenschwester kam auf den Flur geeilt, zwei
kräftige Pfleger im Schlepptau. Die beiden stürzten sofort auf Eric zu und
zogen ihn von mir weg, während die Schwester aufgeregt vor sich hin schimpfte:
„Du
unvernünftiger Junge, habe ich dir nicht gesagt, du sollst im Bett bleiben? Was
veranstaltest du denn hier für einen Aufruhr, siehst du nicht, dass du ihr
Angst einjagst?“
„Frag
Rasmus“, schrie Eric, während ihn die Pfleger in ein Krankenzimmer zerrten.
„Frag ihn, wie der Unfall wirklich abgelaufen ist, Lily …“ Dann schlug die Türe
hinter ihm zu und ich blieb wie erstarrt auf dem Flur zurück.
„Tut
mir leid, falls er dich erschreckt hat“, sagte die Krankenschwester und
tätschelte meine Schulter, „ich wollte nur gerade die Psychologin holen, da ist
er schon abgehauen.“
„Was
ist denn mit ihm?“, fragte ich und konnte es nicht verhindern, dass meine
Unterlippe zitterte.
„Ach,
er hat eine leichte Gehirnerschütterung davongetragen und ist deshalb wohl
gerade nicht ganz er selbst. Außerdem steht er ziemlich unter Schock, viel mehr
als die anderen Jungen. Aber mach dir nichts draus, das geht vorbei. Und was
auch immer er gesagt hat, daran kann er sich später wahrscheinlich nicht einmal
mehr erinnern, und er hat es auch bestimmt nicht so gemeint.“
„Ich
weiß nicht …“, murmelte ich und versuchte vergeblich, den Gedanken an Erics
weit aufgerissene Augen zu verdrängen.
Die
Krankenschwester sah mich mitfühlend an. „Ist er dein Freund?“
„Oh
… nein“, stammelte ich, während ich Rasmus entgegensah, der gerade auf uns
zukam. Die Krankenschwester folgte meinem Blick und schenkte mir ein
verständnisvolles Lächeln.
„Alles
klar“, meinte sie und kehrte zu ihrem Tresen zurück.
„Oh
nein“, beteuerte ich zum zweiten Mal, „so ist das gar nicht …“ Doch sie
zwinkerte mir bloß zu und widmete sich dann irgendwelchen Formularen.
„Entschuldige,
dass es etwas länger gedauert hat“, sagte Rasmus, als er mich erreicht hatte,
„aber irgendwie scheinen die Ärzte nicht so empfänglich zu sein für … Was ist
los mit dir?“, unterbrach er sich, als er mein Gesicht sah. „Ist das eine
verzögerte Sorge um mein Wohlbefinden?“
„Es
ist bloß … wegen Eric“, murmelte ich.
Rasmus
runzelte die Stirn. „Was soll mit ihm sein?“
„Ich
habe ihn vorhin getroffen, und er war ganz merkwürdig. Er hat gesagt …“ Ja, was
hatte er eigentlich gesagt? Genaugenommen nichts, woraus ich hätte schlauwerden
können. „Er hat wirres Zeug geredet“, beendete ich den Satz. „Und er schien
ziemlich sauer auf dich zu sein.“
„Tatsächlich“,
sagte Rasmus gedehnt. „Das überrascht mich eigentlich nicht. Er hat schon
während der ganzen Fahrt verbal auf mich eingeschlagen, weil er der Meinung
ist, mein zurückhaltendes Spiel sei schuld daran, dass wir bei der
Meisterschaft nur den zweiten Platz erreicht haben. Aus irgendeinem Grund
scheinen meine Teamkollegen immer gern mehr von mir zu erwarten als von sich
selbst.“ Er zog die Augenbrauen zusammen und mit einem Mal sah sein Gesicht
ziemlich finster aus. „Und jetzt hat er sich wohl eingebildet, mich auch bei
dir anschwärzen zu müssen. Ich finde nur, das ist ein ganz schlechter Zeitpunkt
für solche Scherze, wenn man bedenkt, dass unser Coach gerade auf der
Intensivstation liegt.“
„Schon
gut“, beeilte ich mich zu versichern, „es war ja weiter nichts. Wird eurer
Trainer wieder ganz gesund?“
Augenblicklich
glättete sich Rasmus‘ Miene, es blieb nur ein besorgter Ausdruck auf seinem
Gesicht zurück. „Ja, der wird schon wieder, aber trainieren wird er uns lange
nicht mehr können. Er hat sich eine Kopfverletzung und einen schweren
Schienbeinbruch zugezogen.“
„Das
tut mir leid“, sagte ich leise.
„Tja“,
meinte Rasmus und sah nach unten, während er umständlich den Zippverschluss
seiner Jacke einfädelte. „Ist wohl ein ziemlich ungerechter Lohn dafür, dass er
sich täglich mit mir rumgeärgert hat.“ Ich zermarterte mir das Hirn auf der
Suche nach irgendeiner hilfreichen, tröstlichen Bemerkung, aber da richtete er
sich auch schon wieder
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