Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
keckes kleines
Lächeln, bevor sie sich wieder zum Gehen wandte. Ich wartete, bis sie von der
Menge verschluckt worden war, bevor ich mich an Rasmus heranwagte.
Als
er mich entdeckte, richtete er sich auf und betrachtete mich und mein Kleid so
eingehend, dass ich wenig damenhaft von einem Fuß auf den anderen zu wippen
begann. „Da bist du ja“, meinte er schließlich zufrieden, als wären wir
verabredet gewesen oder als hätte er die ganze Zeit auf mich gewartet –
jedenfalls so, dass mir vor Verlegenheit natürlich so etwas Lächerliches
herausrutschen musste wie:
„Was
hat das Mädchen denn gesagt?“
„Ach,
irgendwas über meine Augen und die Sterne, das Übliche eben.“ Einen Moment lang
schien er meinen Gesichtsausdruck zu genießen, dann lachte er. „Sie hat mich
gefragt, wo die Toiletten sind, Lily.“
„Ah.“
Ein
unbehagliches Schweigen breitete sich zwischen uns aus, als mir klar wurde,
dass ich mit Rasmus im finstersten Winkel einer Disco stand. (Unpassenderweise
fiel mir in diesem Augenblick auch ein, dass Jinxy einen ganz besonderen Namen
für so einen Ort hatte.) Ich konnte fühlen, dass unser mittägliches Gespräch
wie eine knisternde Energie zwischen uns schwebte, und überlegte angestrengt,
was ich sagen konnte, um die Situation ein wenig … unverbindlicher zu
gestalten. Als ich bereits ernsthaft mit dem Gedanken spielte, „Bist du oft
hier?“ zu fragen, kam mir Rasmus zum Glück zuvor.
„Wieso
tanzt du eigentlich nicht?“, erkundigte er sich beiläufig, als würde ihm die
Spannung zwischen uns gar nicht auffallen.
„Bloß
so … Na ja, auf Discotanzflächen sehe ich irgendwie … du weißt schon,
lächerlich aus.“
„Ich
glaube nicht, dass du da aus großer Erfahrung sprichst“, meinte er mit unbewegtem
Gesicht.
„Doch,
natürlich tue ich das. Es war grauenhaft, wenn ich es versucht habe. Beide
Male.“
„Beweise
es“, verlangte er.
„Vielleicht
ein andermal, wenn du gerade tieftraurig bist oder so.“
Ich
konnte gerade noch sehen, wie Rasmus sich um eine kummervolle Miene bemühte,
bevor sein Blick plötzlich über meinen Kopf hinweg zum DJ-Pult huschte. Dort
war ein kleines Gerangel entstanden, weil Sam dem Möchtegern-DJ den Platz
streitig machte. Binnen weniger Sekunden war das Kräftemessen jedoch
entschieden, und der entthronte Junge trollte sich zur Bar. In der
offensichtlichen Eile, die Musikrichtung zu wechseln, kürzte Sam den letzten
R’n’B-Song brutal ab und ließ ihn in die Akkorde einer akustischen Gitarre
übergehen: She moves in her own way von den Kooks.
„Zu
schade, dass du dich nicht auf die Tanzfläche traust“, nahm Rasmus das Thema
wieder auf. „Dabei würde der Song so gut zu deinem Kleid passen. Wenn mich
nicht alles täuscht, könnte man dazu Cha-Cha-Cha tanzen, und der wurde ja in
den fünfziger Jahren berühmt, stimmt‘s?“
„Schon,
aber zu dem Lied kann man keinen Cha-Cha-Cha tanzen, sondern Jive“, rutschte es
mir heraus.
Rasmus
zog die Augenbrauen hoch. „Bist du sicher?“
„Aber
ja“, sagte ich irritiert, jedoch ohne an meiner Meinung zu zweifeln. „Letztes
Jahr hatte ich einen Musikkurs mit dem Schwerpunkt lateinamerikanischer Tanz.
Hör mal auf den Rhythmus – dazu macht man so, und dann“, ich begann die Füße im
Takt zu bewegen und versuchte mich an die Jive-Figuren zu erinnern, die wir
gelernt hatten, „dann geht es zum Beispiel so“, ich hob die Arme, wie um einen
imaginären Tanzpartner anzufassen, und machte eine schnelle Drehung, bei der
mein Rock hochwirbelte. Erschrocken drückte ich den gepunkteten Stoff wieder
nach unten und taumelte, bis mich eine Hand an der linken Schulter festhielt.
„Abgesehen
von dem eher bescheidenen Ende fand ich die Darbietung gar nicht schlecht“,
sagte Rasmus langsam, wobei er keinerlei Anstalten machte, mich loszulassen. „Du
könntest dich also ruhig auf die Tanzfläche wagen.“
Nach
einigen Schrecksekunden wich ich hastig zurück, sodass seine Hand von meiner
Schulter rutschte. Vorwurfsvoll starrte ich zu ihm hoch. „Du hast mich
reingelegt!“
„War
nicht besonders schwierig“, antwortete er bescheiden. „Du bist wirklich der
unsicherste und zugleich am meisten von sich selbst überzeugte Mensch, den ich
kenne.“
Merkwürdigerweise
ließ diese wenig schmeichelhafte Feststellung mein Herz schneller schlagen, was
nur an Rasmus‘ Tonfall liegen konnte. Ich zwang mich dazu, seinen Blick so
souverän wie möglich zu erwidern. (Nicht, dass ich mit Blicken
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