Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
nach
Erscheinungsdatum geordnet hättest, anstatt den Mann zu treffen, der dich
sozusagen um deine Hand gebeten hat! Und das wäre echt bescheuert gewesen!“
„Dessen
bin ich mir sehr wohl bewusst“, erwiderte ich steif.
Jinxy
kicherte ungläubig. „Okay, ich bin gleich bei dir und bringe dir etwas mit, das
du auf der Party tragen kannst!“
„Aber
bitte was Schlichtes!“, konnte ich gerade noch rufen, bevor die Verbindung
abbrach.
Als
Jinxy fünfzehn Minuten später bei mir eintraf, war ich mir sicher, dass sie
meine Bitte noch gehört hatte. Das Kleid, das sie mir stolz präsentierte, war
dunkelblau mit weißen Punkten und im Stil der 50er Jahre geschnitten: Es hatte
schmale Träger, ein knappes Oberteil, das mit einem knallroten Taillengürtel
geschmückt wurde, und einen weit schwingenden Rock – und ich glaubte Jinxy
sofort, als sie beteuerte, das unauffälligste Stück aus ihrer Sammlung gewählt
zu haben.
„Ich
hab das mal mit Doc Martens und einem rosa Zylinder zu einer Party getragen –
aber ich denke, dich stylen wir ein bisschen anders“, setzte sie eilig hinzu,
als sie meinen Gesichtsausdruck sah. Resignierend ließ ich es über mich
ergehen, dass sie mich in das Kleid stopfte und den Gürtel um meine Taille
befestigte. Von der Weite her passte es zum Glück ganz gut, doch da Jinxy
mehrere Zentimeter kleiner war als ich, war der Rock für meinen Geschmack um
mindestens eine Handbreit zu kurz.
„Geht
das so?“, fragte ich beklommen und beugte mich vor, um zu testen, wie viel
Bewegungsfreiheit mir blieb, wenn ich nicht wollte, dass alle Welt einen Blick
auf mein Höschen erhaschen konnte. (Es war entschieden Vorsicht geboten.)
„Aber
ja“, rief Jinxy begeistert aus, „und ich mache dir jetzt einen richtig süßen
50er-Jahre-Lockenkopf. Deine Haare haben dafür genau die richtige Länge! Und
dann deine helle Haut, das passt perfekt !“ Sie schob mich ins
Badezimmer, wo sie mich zuerst mit dem Lockenstab traktierte (die kleine
Verbrennung an meinem Hals würde nicht weiter auffallen, wie sie sagte), danach
tuschte sie meine Wimpern und verpasste mir einen schwarzen Lidstrich.
„Und
jetzt noch dunkelroter Lippenstift, richtig?“, fragte ich ergeben, doch zu
meiner Überraschung schüttelte Jinxy nachdrücklich den Kopf.
„Oh
nein, höchstens ein bisschen Lippenbalsam. Das gibt sonst eine ziemliche
Sauerei.“
„Ich
verstehe nicht ganz“, sagte ich misstrauisch und befühlte die weichen Locken,
die mein Gesicht umspielten. Wenn man die zotteligen Zöpfchen meiner Freundin
betrachtete, wäre man niemals auf die Idee gekommen, dass sie durchaus das Zeug
zur Frisörin hatte.
„Ach,
na ja“, meinte Jinxy unschuldig und tat so, als müsste sie sich einen Fussel
vom Ärmel zupfen, „nachdem du Rasmus heute praktisch deine Liebe gestanden hast
…“
„Das
habe ich nicht !“
„…
und er so freudig darauf eingegangen ist, könnte ich mir vorstellen, dass es
heute Abend für euch beide ganz interessant werden könnte. Kussmäßig, verstehst
du. Oh ja, ganz sicher, das sagt mir mein kleiner Zeh!“
„Den
kann ich gern zum Schweigen bringen“, bot ich düster an, doch Jinxy beachtete
mich gar nicht.
„Glaubst
du, er küsst gut?“, fuhr sie fröhlich fort. „Aber bestimmt tut er das. Ich
nehme mal an, er hat jede Menge Erfahrung.“
„Dass
du dich da mal nicht täuschst“, versuchte ich einen überlegenen Tonfall
anzuschlagen, obwohl sich allmählich Nervosität in mir breitmachte. „Seine
letzte Freundin hatte er vor zwei Jahren.“
„Lily,
Süße, nur weil ein Junge ein Mädchen nicht als seine Freundin bezeichnet, heißt
das noch lange nicht, dass er sie nicht trotzdem …“
„Okay,
schon gut!“, unterbrach ich sie hastig. „Können wir jetzt gehen?“
„Sofort“,
antwortete Jinxy und sammelte ihre Schminkutensilien ein, während sie leise Can
you feel the love tonight aus „König der Löwen“ vor sich hin summte – und
es vermutlich nicht einmal bemerkte.
8.
Kapitel
Ich
hatte das Netherworld noch nie von innen gesehen, kannte es allerdings
vom Hörensagen: Früher war es ein berüchtigtes Gothic-Lokal gewesen, und die
meisten Eltern hatten ihren Sprösslingen strikt untersagt, es zu besuchen.
Vermutlich hatte die Disco sich gerade deshalb zu einem beliebten
Veranstaltungsort für Highschool-Partys gemausert, sobald die Besitzer wegen
finanzieller Probleme gezwungen gewesen waren, die Tore auch für weniger
lichtscheues Publikum zu öffnen.
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