Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
den hellblonden
Jungen etwas unschlüssig an, als müsste er erst einmal die Alternativen in
seinem Kopf abwägen. Dann sah ich, wie er ganz kurz mit den Achseln zuckte, als
wäre er zu einem Schluss gekommen, und ohne auch nur auszuholen versetzte er
Eric einen Stoß vor die Brust.
Ich
erinnerte mich nachher genau daran, wie harmlos es ausgesehen hatte – Rasmus
hatte nicht einmal die Faust geballt, doch der Aufprall seiner Handfläche auf
der nackten Haut klang merkwürdig dumpf und ließ den Getroffenen rücklings auf
den Asphalt stürzen. Eric blieb schwer atmend liegen, doch schon war Rasmus
über ihm, zog ihn auf die Beine und zwang ihn gleich darauf mit einem weiteren
Schlag wieder in die Knie. Tom und der andere Junge, die bisher wie gebannt
zugesehen hatten, stürzten sich nun auf Rasmus, um ihn mit Fausthieben von
ihrem Freund wegzutreiben. Obwohl sie hemmungslos auf Rasmus‘ Kopf zielten,
schien dieser ihren Angriff allerdings kaum wahrzunehmen: Die beiden waren
sogar etwas größer als ihr Gegner, wirkten aber trotzdem fast wie Jagdhunde,
die sich in das Fell eines Bären verbissen, ohne irgendetwas ausrichten zu
können. Mehrmals stieß Rasmus sie von sich, sodass sie einige Schritte
rückwärts stolperten, doch dann drehte er sich halb zu Jinxy und mir um und
fing meinen ungläubigen, erschrockenen Blick auf. Ich wusste, dass er den
neuerlichen Ansturm der beiden Jungen trotzdem kommen sah, aber auf einmal
schien seine Kampfbereitschaft erlahmt. Er wurde nach hinten geworfen und sein
Ellbogen prallte gegen ein Erdgeschoßfenster des Netherworld, das mit
einem durchdringenden Klirren zu Bruch ging. Rasmus rutschte an der Wand
entlang zu Boden, und es war zu spät, um den Sturz mit den Händen abzufangen –
ich stöhnte entsetzt, als er mit dem Gesicht direkt in den Scherben landete.
Für die Dauer einiger Herzschläge waren die anderen drei Jungen wie
versteinert; dann holte Eric langsam mit dem rechten Fuß aus und trat seinem
Gegner mit voller Wucht in die Seite. Sofort war Rasmus wieder auf den Beinen –
er musste die Glassplitter doch verfehlt haben, denn sein Gesicht war
unversehrt. Es blieb mir kaum Zeit, um erleichtert aufzuatmen, da hatte Rasmus
Eric bereits einen weiteren Schlag verpasst, und diesmal riss die Naht an Erics
Stirn auf. Als das Blut hervorsprang und die weißblonden Haarsträhnen
verklebte, ließ Rasmus die Fäuste sinken.
Jinxy
zupfte mich am Ärmel. „Ich möchte ja niemanden stören“, flüsterte sie, „aber
ich glaub, mir wird schlecht.“
Ich
schaute in ihr bleiches Gesicht und dann zurück zu Rasmus und Eric, die
gleichzeitig vor einander zurückwichen. Ein Schwindelgefühl erfasste mich, und
das Bild begann aufzufasern. Wie durch ein gesprungenes Glas sah ich, dass ein
paar Leute aus dem Netherworld ins Freie traten und aufgeregt in Erics
Richtung gestikulierten, bis dieser auf einmal herumwirbelte und zwischen den
Hausmauern verschwand. Ich erhaschte einen Blick auf Sam, der mit leicht geöffnetem
Mund bei den anderen Schaulustigen vor dem Lokal stand, und brachte schwach
hervor: „Eric braucht Hilfe, ich glaube, er hat eine Platzwunde …“ Das nächste
Bruchstück zeigte mir Rasmus‘ Gesicht, während er zögernd auf mich zukam.
In
diesem Augenblick würgte Jinxy neben mir. Ich drehte mich zur Straße und riss
den Arm hoch, als die leuchtende Anzeige eines Taxis aus der Dunkelheit
auftauchte. Hastig drängte ich Jinxy in den Wagen, rutschte neben sie auf die
Bank und knallte die Türe zu. Während wir uns vom Netherworld entfernten,
konnte ich im Rückspiegel zwischen all den hysterischen Partygästen eine
regungslose Gestalt mit gesenktem Kopf erkennen, doch sie wurde rasch von der
Finsternis verschluckt.
Als
er sich von dem schwarz gestrichene Gebäude entfernte, gelang es ihm nur mit
größter Mühe, sein Schritttempo zu mäßigen. Die Gefühle, die in seinem Inneren
tobten, erfüllten ihn mit einer fieberhaften Energie, die ihn unablässig
vorwärts drängte, und er musste sich selbst immer wieder zur Ordnung rufen, um
keinen Verdacht zu erregen. Doch nach Tagen der Ungewissheit waren es nicht
Sorge und Zorn, die ihn durchströmen, sondern eine unbändige, frohlockende,
siegessichere Erleichterung. Er hatte ganz spontan gehandelt und war dabei ein
gewisses Risiko eingegangen, das ließ sich nicht verleugnen; aber auf die
menschliche Lust an körperlicher Gewalt war eben Verlass – und ebenso auf den
Effekt, den der Anblick dieser Schlägerei auf
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