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Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Titel: Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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hatte.
Andererseits war Arwen fast dreitausend Jahre alt, während ich es mir mit meinen
frischen sechzehn Jahren wohl erlauben konnte, mich etwas freizügiger zu
zeigen. Bewundernd strich ich über den zarten Stoff und die Stickereien; dann
hob ich die Arme, damit die langen Georgette-Ärmel richtig zur Geltung kamen.
    Es
war perfekt. Ich malte mir aus, wie ich darin die Tür öffnete, wenn mein
Begleiter mich für den Ball abholte, und zu meiner übergroßen Schande stiegen
mir die Tränen in die Augen.
    „Lily?“,
hörte ich Sam hinter dem Vorhang. „Hast du es schon an? Kann ich mal sehen?“
    „Nein!“,
rief ich zurück und wühlte mit einer Hand vergeblich nach einem Taschentuch;
mit der anderen schnürte ich hastig das Kleid auf. „Es bringt Unglück, wenn du
mich jetzt schon darin siehst!“
    „Gilt
das nicht nur für Hochzeiten?“, protestierte er, während ich wieder in meine
Sachen schlüpfte. Ich wischte mir noch schnell über die Augen, bevor ich den
Vorhang zur Seite schob. Sam wartete direkt vor der Kabine auf mich und verzog
enttäuscht den Mund, als ich zu ihm hinausgestolpert kam.
    „Schade.
Hat bestimmt ganz toll …“, begann er, dann fiel sein Blick auf mein Gesicht und
er verstummte. Schweigend griff er in das vordere Fach seines Rucksacks, holte
ein Päckchen Taschentücher heraus und reichte es mir.
    „Danke“,
sagte ich leise und öffnete schniefend die Packung. „Ich hab mir wohl einen
Schnupfen eingefangen.“
    „Ist
ja auch ein ziemlich mieses Wetter zur Zeit“, antwortete Sam ruhig.
    „Hast
du was gefunden?“, fragte ich ihn mit dünner Stimme.
    Er
schüttelte den Kopf. „Nein, aber wenn du willst, kann ich wirklich als Legolas
gehen, damit wir irgendwie zusammenpassen. Oder auch als Gimli, wenn dich das
aufheitern würde.“
    Ich
versuchte ein Lächeln, das reichlich zittrig ausfiel. „Schon gut, Männer
gefallen mir im Anzug sowieso besser als mit angeklebten Ohren oder Bärten.“
    Oh,
wie ich mich für mein Verhalten schämte! Was konnte der arme Sam dafür, dass
ich von einem schmaläugigen Widerling besessen war? Sofort leistete ich mir in
Gedanken einen Eid: Sollte ich mich am Tag des Balls immer noch wie ein
Jammerlappen benehmen, würde ich mich selbst bestrafen, indem ich zu Hause
blieb – egal, was sich gewisse Leute dann einbilden mochten.
    Als
ich allerdings am Montagabend im grünen Kleid vor dem Badezimmerspiegel stand,
kam ich zu dem Schluss, dass es eine Schande wäre, dieses Prunkstück nicht
vorzuführen. Sollten gewisse Leute doch ruhig sehen, wie ich als
strahlende Elbenprinzessin an der Seite eines rücksichtsvollen Begleiters in
den Ballsaal … schwebte.
    Ich
steckte die oberste Schicht meiner Haare am Hinterkopf mit einer silbernen
Spange zusammen, sodass meine Ohren wie bei Arwen hervorlugten, und versuchte
dann das Makeup nachzuahmen, das mir Jinxy für die Party im Netherworld verpasst
hatte. Schließlich schnappte ich mir meine Handtasche und marschierte
hocherhobenen Hauptes nach unten. Am Fuß der Treppe warteten schon meine Eltern
und hielten einen Fotoapparat bereit, um ein paar Bilder von mir zu schießen –
wahrscheinlich hatten sie sich das aus einem Teeniefilm abgeschaut. Als sie
mich in meinem Kleid erblickten, weiteten sich ihre Augen merklich.
    „Du
…“, begann mein Vater, und ich bemühte mich um ein kleines Lächeln, während ich
auf sein Kompliment warte. „Du wirst doch sicher frieren?“, erkundigte er sich
schließlich.
    „Danke,
Pa.“
    Jetzt
war meine Mutter an der Reihe. „Die Ärmel erinnern ein wenig an die Mode aus
dem 12. Jahrhundert“, bemerkte sie.
    „Und
danke, Mutter. Kann ich jetzt los?“
    Es
war meinen lieben Eltern anzusehen, dass ihnen wohler zumute gewesen wäre, wenn
ich wie üblich auf eine derartige Schulveranstaltung verzichtet und mich
stattdessen einem guten Buch gewidmet hätte, vorzugsweise in meinem
Flanellpyjama. Trotzdem gaben sie sich große Mühe, sich möglichst wenig
anmerken zu lassen. Meine Mutter rang sich sogar dazu durch, mir einen schönen
Abend zu wünschen, bevor sie pflichtschuldig hinzufügte: „Bleib nicht zu lange.
Ich weiß, dass du nicht allzu viel Schlaf bekommen wirst, wenn du bei Jinxy
übernachtest, und morgen ist schließlich Schule.“
    Glücklicherweise
erlöste mich im nächsten Moment die Klingel aus diesem aufgesetzten
Eltern-Tochter-Szenario. Ich öffnete schwungvoll die Türe und musste gleich
darauf unwillkürlich lächeln. Schon oft hatte ich

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