Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
füllen.
Eigentlich
schmeckte es gar nicht so schlecht.
Sam
wartete geduldig ab, bis ich ausgetrunken hatte, dann platzte er mit etwas
heraus, das ihn offenbar schon seit einer Weile beschäftigte: „Hast du das
Buffet bemerkt? Ich dachte, es würde Sandwiches geben oder so, aber ich schwöre
dir, dass ich dort mehrstöckige Torten gesehen habe. Und ein Spanferkel!“
„Ich
hab irgendwie keinen Hunger.“
„Oh.
Gut, ich nämlich auch nicht.“
Trotz
meiner miesen Laune entschlüpfte mir ein kleines Lächeln. „Komm schon, Sam, du
willst doch eigentlich zu diesem Buffet.“
„Nein,
wirklich nicht! Ich freue mich schon die ganze Zeit darauf, mit dir zusammen
die Parade zu sehen.“
„Was
denn für eine Parade?“
Allmählich
machte Sam den Eindruck, als wäre ihm seine Krawatte zu eng. „Herrje, Lily,
woher soll ich denn das wissen! Ich war doch bisher noch nie auf einem Ball.“
„Und
du hast bestimmt noch nie Spanferkel probiert. Ist schon okay, ehrlich. Ich hab
nur keine Lust auf das Gedränge vor dem Buffet, also bleibe ich hier in der
Nähe.“
Man
konnte ihm ansehen, dass in seinem Inneren ein heftiger Kampf tobte, doch ich
ahnte gleich, zu wessen Gunsten er sich entscheiden würde: Schließlich lächelte
Sam mir schüchtern zu und versprach, sich zu beeilen. Ich blieb alleine neben
dem Brunnen zurück, und weil mir nichts Besseres einfiel, füllte ich mein Glas
erneut. Gleichzeitig beschloss ich, in Zukunft öfter Sekt zu trinken – das war
wirklich das einzig Nette an diesem Abend. Allerdings hatten jetzt auch andere
Schüler die unbeaufsichtigte Alkoholquelle entdeckt, und es lag wohl an dem
Geschubse um mich herum, dass mir allmählich heiß und ein bisschen schwindelig
wurde. Bedauernd stellte ich mein Glas ab und wanderte ziellos durch den Saal,
vorbei an einigen Pärchen, die sich pflichtbewusst zur klassischen Musik
bewegten. Ich war so darauf bedacht, niemandem auf die Füße zu treten, dass ich
zuerst gar nicht realisierte, wie der Walzer zu Ende ging und eine jazzige
Klaviermelodie begann; erst als die wohlbekannte warme Stimme einsetzte, blieb
ich wie angewurzelt stehen. Das konnte doch nicht wahr sein – L-O-V-E von Nat King Cole? Hatte dieser verflixte Gnarf nicht gesagt, dass bis
Mitternacht ausschließlich klassische Musik gespielt würde?
Die
anderen Ballgäste schienen über diese Programmänderung weitaus erfreuter zu
sein als ich. In Scharen strömten sie nun in die Mitte des Saals, wodurch ich
an den Rand abgedrängt wurde. Während ich den Schülern und Lehrern beim Tanzen
zusah, begann ich vor Verlegenheit meine langen Ärmel zu verknoten und wünschte
mir sehnlichst irgendetwas, an dem ich mich hätte festhalten können.
Ein
Glas Sekt schien mir eine gute Möglichkeit zu sein.
Zu
meiner Verärgerung versperrte mir einer der zahlreichen Vampire im Raum den Weg
zum Brunnen; dieses Exemplar war allerdings nicht in Lack und Leder gekleidet
und hatte sich auch nicht edwardmäßig in Schale geworfen, sondern trug
ernsthaft einen dunklen Umhang mit Stehkragen über dem Anzug.
„Platz
da, Blutsauger“, verlangte ich genervt und drückte ihm meinen Ellbogen in die
Seite.
„Das
ist aber nicht politisch korrekt“, wies mich der Dracula-Verschnitt zurecht und
drehte sich um. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, als würde mir der
getrunkene Sekt gleich die Kehle hochsprudeln, dann hatte ich meine Fassung
wiedererlangt.
„Aha,
du trägst also ein Plastikgebiss“, stellte ich kühl fest, „findest du das
besonders witzig?“
„Eigentlich
schon, bis du das gerade so zynisch gefragt hast“, antwortete Rasmus
achselzuckend. „Jetzt schäme ich mich ein bisschen dafür.“
„Klar,
als ob du dich jemals für dein Verhalten schämen würdest.“
„Wenn
du weiterhin so charmant bist, bleibt mir nichts anderes übrig, als Total
Eclipse of the Heart zu trällern – Scham hin oder her.“ Er las die
Verwirrung auf meinem Gesicht und schüttelte missbilligend den Kopf. „Also
kein Musical-Fan. Dance of the Vampires ,
Lily … nein? Tja, und wo wir schon beim Thema sind: Was kostet
denn ein Tanz mit dir?“
Ich
hörte ja wohl nicht richtig – dieser Kerl bildete sich doch nicht ernsthaft
ein, dass ich gleich in seinen Armen zu dieser kitschigen Jazznummer schunkeln
würde?
„Für
dich – gar nichts“, fauchte ich ihn an. Ich hatte das vage Gefühl, dass mit
diesem Satz irgendetwas nicht stimmte – zumindest brachte er Rasmus zum Grinsen
– aber ich ließ mich
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