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Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Titel: Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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schweigend Gläser ab, dann durchbrach ich schuldbewusst die
Stille: „Meinst du, sie haben gemerkt, dass ich genug von ihnen hatte?“
    „Ist
doch egal“, gab Jinxy ungerührt zurück. „Nur um Sam hättest du dich ein
bisschen besser kümmern können, der sah schon irgendwie verletzt aus.
Wahrscheinlich hatte er sich von diesem Abend etwas mehr erhofft, als dir und
Eric beim Plaudern zuzusehen.“
    Ich
spürte, wie mein Gesicht heiß wurde, und wandte mich schnell zur Seite, um das
Geschirrtuch zum Trocknen über eine Stuhllehne zu hängen. „Blödsinn“, murmelte
ich in Jinxys Kichern hinein. „Das war‘s übrigens, wir sind fertig.“
    „Okay“,
nickte sie, ging in den Flur und schlüpfte dort in die knallgelbe Regenjacke,
die sie im Herbst bei jeder Wetterlage zu tragen pflegte. An der Haustür blieb
sie jedoch stehen und drehte sich zu mir um. „Soll ich nicht lieber bei dir
übernachten? Es macht mir nichts aus, ehrlich. Selbst wenn das bedeutet, dass
ich morgen Mauerblümchen-Klamotten für die Schule von dir leihen müsste.“
    So
war Jinxy – sie brachte mich jeden Tag mehrmals in Verlegenheit, doch wenn es
um meine absolut peinliche Angst davor ging, alleine zu Hause zu schlafen, tat
sie so, als wäre das etwas völlig Selbstverständliches.
    „Nein,
ist schon in Ordnung“, wehrte ich ab, ließ aber so viel Dankbarkeit wie möglich
in meiner Stimme mitschwingen. „Ich werde jetzt noch ein, zwei Stunden lernen,
da langweilst du dich doch zu Tode. Wir sehen uns dann morgen, ja?“
    „Wie
du meinst“, sagte sie achselzuckend, drückte mir einen ihrer
berühmt-berüchtigten Jinxy-Schmatzer auf die Wange und hüpfte in die Finsternis
hinaus. Ich blickte ihr nach und wünschte mir einmal mehr, ihre
Unerschütterlichkeit würde eines Tages ein wenig auf mich abfärben. Seufzend
schloss ich die Türe und stieg die Treppe zu meinem Zimmer hinauf.
    Obwohl
ich es vor meinen Eltern nie im Leben zugegeben hätte, mochte ich die
Einrichtung unseres Hauses nicht besonders. Einmal abgesehen davon, dass man
die Möbel wie seinen Augapfel hüten musste, machten die wuchtigen Formen, das
dunkle Holz und die schweren Vorhänge einen düsteren Eindruck auf mich. Mein
Zimmer stellte allerdings eine Ausnahme dar: Mit seinen sonnengelben Wänden,
dem flauschigen Teppich und der gepolsterten Fensterbank neben dem
vollgestopften Bücherregal war es ganz und gar mein Reich, mein Refugium. Leider
änderte all diese Gemütlichkeit nichts daran, dass ich nachts im Bett ständig
Geräusche aus dem Rest des Hauses hören konnte: In den Heizungsrohren knisterte
es, und der Holzboden knackte in so regelmäßigen Abständen, dass es wie
langsame Schritte klang. Irgendwo hatte der Wind einen Fensterladen
aufgedrückt, der jetzt gegen die Mauer klapperte, doch ich würde den Teufel tun
und durch das dunkle Haus tappen, um danach zu suchen.
    „Angst
ist eine sehr wichtige Reaktion des Bewusstseins“, flüsterte ich beschwörend
vor mich hin. „Sie dient als Warnsignal, und durch eine Erregung des
Sympathikus wird der Körper auf Angriff oder Flucht vorbereitet. Aber in deinem
Fall – Flucht vor wem?“
    Wie
immer nützte es fast gar nichts; erst nach etwa einer Stunde schlief ich mit
dem Kopf tief unter der Decke ein.
     
    Die
Nacht war friedlich: Bis auf das ferne Rauschen des Verkehrs und das
gelegentliche Auffrischen des Windes war nichts zu hören. Obwohl die Stille
beruhigend hätte wirken müssen, spürte er, wie sich seine Schultern vor
Anspannung verkrampften, während er in die Dunkelheit hinausstarrte. Sein
ganzer Körper schien wie elektrisiert, und trotz seiner Müdigkeit hielten ihn
die bangen Zweifel in hellwacher Alarmbereitschaft. Um sich abzulenken,
versuchte er sich auf etwas anderes zu konzentrieren, irgendetwas – aber er
konnte keine klaren Gedanken fassen. Sie entschlüpften ihm immer wieder, bis
sich schließlich ein Bild vor sein inneres Auge schob, das er festzuhalten
imstande war: das blasse Gesicht eines Mädchens, und es erstaunte ihn, dass
gerade diese Erinnerung ihn für einen Moment aus seinen qualvollen Grübeleien
herauszureißen vermochte. Schließlich war dieses Gesicht weder besonders
markant noch mit herausragender Schönheit gesegnet, wobei doch eine gewisse
Zartheit in diesen Zügen und den großen grauen Augen lag. Abgesehen davon
kannte er das Mädchen so gut wie gar nicht. Die paar Worte, die sie miteinander
gewechselt hatten, konnten eigentlich unmöglich ausreichen, um ein

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