Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
mich, ein
freundliches Lächeln auf mein Gesicht zu zwingen. Ein Haufen unbekannter Leute
im Haus meiner Eltern hin oder her – ich wollte Sam auf keinen Fall das Gefühl
geben, unerwünscht zu sein. Um außerdem eine weitere unangenehme Konfrontation
mit einem Lehrer zu vermeiden, ließ ich das Handy in meine Tasche zurückgleiten
und beugte mich über mein Biologiebuch. Was da heute Abend bei mir daheim
stattfinden sollte, entsprach wohl Jinxys Vorstellung von „Kontakte knüpfen“;
und wer konnte schon sagen, ob sie damit nicht vielleicht Recht behalten würde?
Einige
Stunden später, ich platzierte gerade einen Stapel Untersetzer gut sichtbar auf
dem empfindlichen Wohnzimmertisch, war mein Optimismus bereits dahin. Meine
Eltern waren Antiquitätenhändler und behielten einige der schönsten Stücke für sich;
nicht auszudenken, wenn die Leute, die Jinxy eingeladen hatte, Wasserflecken
auf der Tischplatte und Kratzer im Ledersofa hinterlassen würden. Einen Moment
lang spielte ich mit dem Gedanken, Schonbezüge über die Polstermöbel zu legen,
doch dann schwante mir, dass das vermutlich keinen besonders gastlichen
Eindruck machen würde. Ich musste also versuchen, die Party ruhig zu halten –
meine Eltern waren zwar in vielerlei Hinsicht sehr tolerant, doch was uralte
Möbel anbelangte, verstanden sie keinen Spaß. Abgesehen davon entsprachen die
beiden überhaupt nicht dem Bild, das die meisten Menschen wohl von
Antiquitätenhändlern hatten: Sie verkauften nicht etwa in einem
schlechtgehenden Laden irgendwelchen Ramsch, sondern reisten auf der Jagd nach
kostbaren antiken Stücken durch die ganze Welt und zählten ein paar richtige
Berühmtheiten zu ihren Kunden. Dass während ihrer Reisen niemand mehr für mich
den Babysitter spielte, verdankte ich der Tatsache, dass meine Eltern mir
vertrauten, und ich hatte nicht vor, das wegen Jinxys verrückter Einfälle aufs
Spiel zu setzen.
Kaum
war ich in Gedanken bei meiner Freundin angelangt, hörte ich, wie vor dem Haus
einige Autotüren zugeschlagen wurden. Schritte und Stimmen näherten sich, dann
läutete jemand Sturm: Das klang nach Jinxy. Ich öffnete, und sie wirbelte
strahlend herein, gefolgt von sieben Jungen und Mädchen. Nicht zu fassen – wie
hatte sie nach nur einem Tag an der neuen Schule so viele Leute dazu bewegen
können, den Abend bei einer völlig Fremden zu verbringen? Ich fühlte einen
kleinen Stich, als mir wieder einmal klar wurde, wie beliebt Jinxy hätte sein
können, wenn sie nicht immer mit mir zusammen gewesen wäre.
„Die
meisten sind aus meinem Zeichenkurs“, erklärte sie gut gelaunt und drückte mir
einige gewaltige Tüten Knabberzeug in die Arme. „Ich hätte ja zu gerne auch den
Klopapiermann eingeladen, aber ich konnte ihn nicht mehr finden.“ Natürlich
wusste Jinxy längst Bescheid.
„Bitte
nenn ihn nicht so“, flüsterte ich nervös und führte meine Gäste ins Wohnzimmer.
Die meisten von ihnen verhielten sich anfangs noch etwas steif, doch nachdem
ein flachshaariger Junge namens Eric eine mitgebrachte CD in die Anlage
geschoben hatte, wurde die Stimmung zusehends gelöster. Und spätestens, als
Jinxy die anderen aufforderte, ihr aus einiger Entfernung Knabbereien in den
weit geöffneten Mund zu werfen, schien sich wirklich jeder zu amüsieren. (Aus
Angst um den Teppich wollte ich dieses Treiben zunächst zwar unterbinden, doch
Jinxy fing die Chips und Gebäckstücke wirklich jedes einzelne Mal.) Ich war
gerade dabei, die Schälchen neu zu füllen, als Eric mich ansprach.
„Ziemlich
cool von dir, schon an deinem ersten Tag ein paar Leute einzuladen“, lobte er,
während er sich ein Glas Cola einschenkte.
„Danke“,
sagte ich und ignorierte Jinxys Stoß in meine Rippen.
„Und,
wie war dein Start an der Galilei? Auf einer Skala von schlimm …“
„…
bis grauenerregend?“, unterbrach ich ihn und versuchte in Gedanken
nachzuzählen, wie oft ich mich blamiert hatte. „Zumindest hatte ich heute noch
keine Sportstunde.“
„Wieso
denn?“, erkundigte sich Eric verständnislos. Ein Blick auf seinen drahtigen
Körper verriet mir, dass er meine Abneigung gegen Sport wohl kaum würde
nachvollziehen können.
„Nur
so, ich habe mich heute einfach nicht ganz fit gefühlt“, meinte ich
ausweichend.
„Verstehe.
Nach der langen Sommerpause bin ich auch nicht mehr perfekt in Form, aber das
heutige Basketballtraining ist trotzdem ziemlich gut gelaufen.“
„Glaubst
du, ihr gewinnt dieses Semester die
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