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Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Titel: Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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Versuchsobjekt zur Sicherheit ein
bisschen aufschlitzen, wenn dir das weiterhilft. Das heißt, du könntest es
versuchen.“
    Es
dauerte einen Moment, bis ich den Sinn seiner Worte erfasst hatte. „Du bist
unverwundbar?“, fragte ich dann bebend.
    „Wenn
du es so ausdrückst, hört es sich ein bisschen nach einer
Superhelden-Eigenschaft an“, antwortete er, „aber im Grunde genommen – ja.“
    „Superhelden
kommen dir abwegig vor, aber ich soll dir glauben, dass du ein … gefallener
Engel bist?“
    „Wir
bevorzugen das Wort ‚ Lichtwesen‘. Engel klingt irgendwie unmännlich“,
erklärte Rasmus in dem halbherzigen Versuch, die Stimmung aufzulockern.
    Ich
bemerkte, dass ich schon seit einer Weile ohne Unterlass den Kopf schüttelte,
und zwang mich, damit aufzuhören. „Das ist nicht möglich“, wiederholte ich
stattdessen hölzern.
    Rasmus
fuhr sich mit einer Hand durch die Haare – eine Geste, die mir so vertraut war,
dass es fast wehtat – und meinte dann: „Lily, du kannst das gerne noch mehrmals
betonen. Aber wir könnten das Ganze auch beschleunigen, indem du deine
Auffassung von dem, was möglich und was unmöglich ist, ein bisschen erweiterst.
Du bist doch ein Mensch, der an das glaubt, was er sieht. Der lieber abwegige
Erklärungen akzeptiert, als ratlos zu sein.“
    Seine
nervige Angewohnheit, mich so unverschämt treffend zu analysieren, brachte mich
wie immer in Verlegenheit und befreite mich zugleich aus meinem Schockzustand.
Allmählich wich meine eisige Furcht der seltsamen Empfindung, als wäre mein
Kopf mit Zuckerwatte angefühlt: Alles wirkte jetzt ein bisschen gedämpft und
wie in einem Traum. Da ich keine Möglichkeit hatte, der Situation zu
entfliehen, konnte ich mich ebenso gut auf dieses fluffige Gefühl einlassen.
    „Wenn
ich hierbleibe“, hörte ich mich sagen, „wirst du dann versuchen, mir alles zu
erklären?“
    „So
viel ich kann, ja. Aber nicht, wenn du weiterhin in diesem Winkel hocken
bleibst.“ Er berührte kurz mit der flachen Hand den Platz neben sich. „Wir sind
nicht ansteckend, weißt du. Es besteht also keine Gefahr, dass du morgen
gefiedert aufwachst.“
    Zögernd
rappelte ich mich auf, dann ging ich steifbeinig auf das Sofa zu und ließ mich
vorsichtig an Rasmus‘ Seite darauf nieder. Als ich dabei versehentlich seinen
Unterarm streifte, fühlte sich seine Haut genauso warm an wie früher. Er roch
auch noch so wie früher. Ich zog die Füße hoch und schlang wieder die Arme um
meine Knie.
    „Okay“,
sagte Rasmus langsam. Er sah mich nicht an, sondern hielt den Blick weiterhin
auf die gegenüberliegende Granitmauer gerichtet. „Zuallererst: Die Geschichte,
die ich dir in der Ballnacht erzählt habe, ist wahr. Ich habe Sophie
kennengelernt, als ich einen heimlichen Ausflug in die irdische Welt gemacht
habe, und von da an bin ich immer wieder hierhergekommen. Das ist uns
eigentlich streng verboten, und allein dafür hätte ich schon eine zeitweise
Verbannung verdient.“
    Irdische
Welt? Das Zuckerwattegefühl schien sich zu verstärken.
„Wusste Sophie, dass du ein …“, begann ich und brach dann ab, weil es mir zu
schwer fiel, das Wort auszusprechen.
    Endlich
drehte Rasmus doch den Kopf kurz zu mir, und als er meinen angestrengten
Gesichtsausdruck bemerkte, nickte er rasch. „Ich habe es ihr erzählt, als ich
sie verlassen habe. Ich weiß nicht, warum ich das getan habe – ich wollte ihr
wohl einen guten Grund dafür nennen, dass unsere Beziehung ohnehin zum
Scheitern verurteilt war. Nach einer Demonstration meiner Fähigkeiten hat sie
es mir geglaubt, aber es war ein Schock für sie. Ich habe mich nicht darum gekümmert,
wie aufgewühlt sie war. Obwohl ich ihre innerliche Zerbrechlichkeit schon
geahnt habe, bin ich einfach abgehauen.“
    Mir
fiel auf, dass er einen merkwürdig sachlichen Tonfall angeschlagen hatte, den
ich von ihm bereits kannte: Zum ersten Mal hatte ich ihn gehört, als wir damals
im Kino auf Rasmus‘ letzte Beziehung zu sprechen gekommen waren, und später
wieder, als Rasmus mir im Krankenhaus vom schweren Unfall seines Trainers
berichtet hatte. Bei der Erzählung von Sophies Tod hatte seine Stimme ebenfalls
so geklungen. Übernatürliches Wesen hin oder her – Rasmus hatte anscheinend
dieselben Schwierigkeiten, über Gefühle zu sprechen, wie jeder andere Junge
auch. Ich verscheuchte diesen eigenartigen Gedanken aus meinem Kopf – genauso
wie den Impuls, nach Rasmus‘ Hand zu greifen – und hörte reglos zu, als

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