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Verbannt

Verbannt

Titel: Verbannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Hunter
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zusammenrufen …
    Distelpfote merkte, dass sie sich längst nicht mehr auf Beute konzentrierte, sondern einfach nur unter den Bäumen stand und immer nasser wurde. Sie schüttelte sich die Tropfen von den Ohren, sprang in ein Loch, das sich an der sandigen Böschung vor ihr auftat, und kauerte sich dort nieder, während sie die prasselnde Regenwand eine Mauslänge von ihrer Nase entfernt beobachtete. Sie leckte sich mit der Zunge das Fell, um es zu trocknen und sich zu wärmen. Als sie etwas weiter hinten in dem Loch ein Schlurfen hörte, erstarrte sie. Etwas Großes – mindestens so groß wie sie – tappte hinter ihr durch den Erdgang. Du Mäusehirn!, schalt sie sich. Sie war so durchnässt gewesen, dass sie völlig vergessen hatte, nachzuprüfen, ob sie den Bau für sich alleine hatte.
    Sie spannte die Muskeln an, öffnete das Maul und sog die Luft ein, in der Erwartung, einen Fuchs zu wittern oder, schlimmer noch, einen Dachs. Stattdessen strömte Katzengeruch über ihre Zunge, ein vertrauter Geruch noch dazu. Schlaff vor Erleichterung drehte sich Distelpfote im Eingang des Erdbaus herum.
    »Häherpfote! Was machst du denn da unten?«
    Ihr Bruder zwängte sich neben sie. Sein Fell roch nach Erde und altem Fuchs. »Nichts«, murmelte er. »Hab mich vor dem Regen verkrochen.«
    »Nein, hast du nicht!« Distelpfote war verärgert, weil er so offensichtlich log. »Dein Fell ist ganz trocken. Du bist schon vor dem Regen hier gewesen.« Als Häherpfote nicht antwortete, fügte sie hinzu: »Du hast versucht, in die unterirdischen Höhlen zu kommen, stimmt’s?«
    Häherpfotes Pfoten scharrten in der sandigen Erde. »Und wenn?«
    »Das ist gefährlich!«, protestierte Distelpfote. »Denk daran, was damals mit Löwenpfote passiert ist, als die Decke des Dachsbaus einstürzte. Und erinnere dich, wie es in der Höhle war. Wir wären fast ertrunken. Und …«
    »Ich weiß, ich weiß«, unterbrach Häherpfote sie.
    »Danach sieht es aber gar nicht aus. Es regnet gerade sehr heftig. Bestimmt werden die Gänge wieder überflutet. Und du wanderst einfach da unten herum, als wäre das unser Lager! Ehrlich, Häherpfote, wie kannst du nur so mäusehirnig sein.«
    »Du brauchst gar nicht weiterreden«, grummelte ihr Bruder. »Und überhaupt, ich bin nicht mal in die Höhlen reingekommen. Das hier ist nur ein altes Fuchsloch. Es führt nirgendwohin.«
    »Aber du hast es versucht!« Warum begriff Häherpfote nicht, in welche Gefahr er sich brachte? »Ich verstehe nicht, was an den Höhlen so besonders ist. Da unten ist doch nichts.«
    »Doch, da ist sehr wohl was!« Er kauerte sich vor sie hin und schaute sie mit seinen blauen Augen so durchdringend an, dass Distelpfote kaum glauben konnte, dass er blind war. Mit zuckenden Ohren zögerte er und fuhr dann fort: »Die Katzen aus vergangenen Zeiten haben mit mir gesprochen. Wenn ich zum Mondsee gehe, treten meine Pfoten in ihre Pfotenabdrücke. Und bis vor Kurzem habe ich ihre Stimmen im Wind gehört. Aber seit wir die Jungen gerettet haben, schweigen sie. Deshalb muss ich zurück in die Höhlen.«
    Distelpfote streckte den Kopf vor und leckte Häherpfote mitfühlend übers Ohr. Der Kummer in seiner Stimme war fast nicht zu ertragen, er klang, als habe er etwas Kostbares verloren.
    Häherpfote riss den Kopf weg. »Das verstehst du nicht.«
    »Dann erklär es mir.«
    Häherpfote zögerte, während seine Vorderpfoten Spiralen in die Erde malten. »Da waren noch andere Katzen in den Höhlen«, miaute er schließlich.
    Distelpfote war verwirrt. »Wie bitte?«
    »Geister der Ur-Katzen, die vor vielen, vielen Blattwechseln hier lebten. Einer von ihnen heißt Fallendes Blatt. Er ging einst in die Höhlen, um in einer Zeremonie zum Krieger zu werden, und kam niemals wieder heraus. Er hat mir gezeigt, wo die verirrten Jungen waren.«
    Jedes einzelne Haar an Distelpfotes Pelz stellte sich auf. Ihr Irrweg durch die Höhlen war schlimm genug gewesen, auch ohne die Vorstellung, von unsichtbaren Katzen beobachtet zu werden.
    »Die andere Katze heißt Stein«, fuhr Häherpfote fort. »Er ist alt, wirklich alt. Er war in der großen Höhle. Er zeigte mir, dass wir entkommen würden, und half mir, einen Ausweg zu finden.«
    Distelpfote holte tief Luft. Vielleicht gab es doch keinen Grund, sich zu fürchten. Wenn Häherpfote die Wahrheit sagte, dann wären weder sie noch die Jungen am Leben, wenn ihnen die Geisterkatzen nicht geholfen hätten.
    »Und warum willst du jetzt wieder in die Höhlen

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