Verbannt
Clan-Anführerin werden wollte, musste sie zusätzlich auch über die verzwickten Beziehungen zwischen den Clans Bescheid wissen oder wie sie mit ihren Kriegern und den Katzen anderer Clans diplomatisch umging und wie man in einer Krise reagierte.
Sie dachte daran, wie Feuerstern am Tag zuvor an der Grenze gehandelt hatte. Sie war beeindruckt gewesen, wie ruhig der DonnerClan-Anführer geblieben war, obwohl seine eigenen Krieger ganz eindeutig im Unrecht waren. So wollte Distelpfote auch einmal sein, eine Anführerin, die sich auf das Gesetz der Krieger verließ, um den Frieden zu bewahren, anstatt den Clan in unnötige Gefechte zu verwickeln. Eine Anführerin, die nicht eigennützig oder gierig war, die das Wohl des eigenen Clans über alles andere stellte, ohne darüber die Rechte der anderen Clans im Wald zu vergessen.
»Ich glaube, da drüben unter den Wurzeln sitzt eine Maus«, unterbrach Sturmpelz ihre Gedanken und deutete mit den Ohrenspitzen auf den Fuß einer benachbarten Buche. »Willst du sie nicht fangen?«
»Ich versuch’s.«
Die anderen Schüler entfernten sich von der Buche, um Distelpfote die Gelegenheit nicht zu verderben. Mit bebenden Schnurrhaaren prüfte sie die Luft. Es war sogar eine Wühlmaus, entschied sie und entdeckte einen Herzschlag später die Beute, ein pummeliges Geschöpf, das im Laub unter dem Baum herumtrippelte. Sie pirschte sich an und schob dabei die Pfoten über das Moos, wie Bach es ihr gezeigt hatte. Die Wühlmaus schien sie zunächst nicht zu bemerken, aber als Distelpfote sich duckte und losstürzen wollte, erstarrte das Tier einen Augenblick lang und flitzte dann davon.
Distelpfote jaulte auf. Ihr erster Sprung brachte sie an den Fleck, wo die Wühlmaus eben noch gewesen war, doch sie sprang sofort wieder los, packte die Maus mit den Vorderpfoten und tötete sie mit einem Prankenhieb.
»Gut gemacht!«, miaute Farnpelz.
Ein warmes Gefühl des Triumphs breitete sich von den Ohren bis zur Schwanzspitze in ihr aus. Sie nahm die Beute und trottete zu ihrem Mentor.
»Verstehst du nun, was ich über deine starken Hinterbeine gesagt habe?«, sagte Bach. »Das war ein toller Sprung!«
»Ich glaube, das reicht«, fügte Farnpelz hinzu. »Lasst uns die Beute zurück zum Lager bringen. Für heute hat der Clan genug zu fressen.«
Während Distelpfote ihm zurück zur Lichtung folgte, Wühlmaus und Spitzmaus im Maul, schaute sie immer wieder zu Bach hinüber. Sie musste Sturmpelz sehr lieben, um alles aufzugeben, was sie kannte, und ihm zu einem fremden Ort und einem fremden Leben zu folgen.
Neugier nagte an ihr, so scharf wie Fuchszähne. Sie wollte den Stamm besuchen und sehen, wie Katzen lebten, die schon als Junge wussten, welches Leben sie mal führen würden und welche Pflichten sie erwarteten.
Aber sie sind so weit weg! Distelpfote seufzte. Ich glaube nicht, dass ich jemals bis zu den Bergen kommen werde.
5. KAPITEL
Die kühle Nachtluft strich flüsternd durch Häherpfotes Fell. Weit über ihm, so wusste er, hing der Halbmond an einem klaren Himmel. Neben ihm trottete seine Mentorin Blattsee und folgte dem Bach, der das WindClan-Territorium von dem des DonnerClans trennte.
In Häherpfotes Bauch kribbelte es erwartungsvoll. Würde Stein am Mondsee zu ihm sprechen? Der Gedanke, er könnte dort vielleicht nur den Katzen des SternenClans begegnen, ließ seinen Schwanz vor Ungeduld zucken. Der SternenClan war schließlich nicht wichtig. Sie waren nur Clan-Katzen, die zu einem anderen Ort weitergezogen waren. Die Prophezeiung hatte gesagt, er würde die Macht der Sterne in seinen Pfoten halten. Das konnte nur bedeuten, dass er einmal mächtiger sein würde als der SternenClan – warum also sollte er seine Zeit damit verschwenden, in seinen Träumen mit ihnen zu wandeln?
Er musste weiter in die Vergangenheit zurück und die Ur-Katzen aus vergangenen Zeiten finden, die sich einst am Mondsee versammelt hatten. Sie mussten die wahrhaft mächtigen Katzen sein, die ihm helfen würden, sein Schicksal zu enthüllen.
Es ist auch Distelpfotes und Löwenpfotes Schicksal. Häherpfote gab sich alle Mühe, die nagende Stimme in seinem Kopf nicht zu beachten. Sein Bruder und seine Schwester würden ihre eigene Machtquelle finden müssen. Er war zur Heiler-Katze auserwählt worden – also konnte das hier nur für ihn allein der richtige Weg sein.
»Blattsee, warte auf uns!«
Der ferne Ruf hallte vom WindClan-Territorium herüber. Blattsee hielt inne und Häherpfote wartete neben
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