Verbannt
kämpfte.
Nach dem Training rannte Distelpfote vor den anderen Schülern zurück ins Lager. Sie wollte sich vergewissern, dass ihr Bruder wohlauf war.
Sie fand Löwenpfote schlafend im Bau, halb vergraben in einem Nest aus Moos und Farnen. Er atmete tief und regte sich nicht, als Distelpfote zu ihm tappte und die Wunde an seiner Schulter beschnupperte. Die Blutung hatte aufgehört; die Kratzer hatten eine dicke Kruste aus getrocknetem Blut und in seinem Fell fehlten einige Büschel. Offensichtlich war er nicht bei Blattsee gewesen, um die Wunde untersuchen zu lassen.
»Mäusehirn«, murmelte Distelpfote liebevoll.
Löwenpfote regte sich auch nicht, als sie mit ihrer Zunge über seine Schulter leckte, bis die Wunde sauber war. Nun, es war kein Wunder, dass er erschöpft war. Distelpfote berührte ihn mit der Nase sanft am Ohr und ließ ihn dann schlafen. Sie schob sich durch die Brombeerzweige und erblickte ihren Vater beim Frischbeutehaufen.
»Hallo«, miaute Brombeerkralle. »Ich stelle eine Jagdpatrouille zusammen. Willst du mitkommen?«
Etwas früher am Tag hätte sich Distelpfote sofort auf dieses Angebot gestürzt, aber jetzt hatte sie Wichtigeres im Kopf. »Ich muss dir was sagen«, fing sie an und berichtete hastig von Löwenpfotes Kampf mit Aschenpelz. »Ich finde, es war nicht richtig von Aschenpelz, so grob mit Löwenpfote zu sein«, schloss sie. »Ich fürchtete schon, sie würden sich gegenseitig in Stücke reißen.«
Brombeerkralle schnurrte besänftigend. »Du brauchst keine Angst zu haben. Ich habe Aschenpelz im Wald getroffen und er hat mir alles erzählt. Er ist sehr stolz auf Löwenpfote.« Halb belustigt, halb verlegen kniff er die Augen zusammen. »Er sagte, aus Löwenpfote würde einmal ein Krieger wie sein Vater. Ich vermute, das war ein Kompliment.«
Distelpfote scharrte enttäuscht mit den Krallen über den Boden. »Aber du hast es nicht gesehen«, protestierte sie. »Es war wirklich beängstigend.«
Brombeerkralle schnippte mit dem Schwanz. »Kämpfe sind immer beängstigend. Wenn wir gegen einen anderen Clan kämpfen, haben die Katzen ihre Krallen auch ausgefahren.«
»Aber wir sind nicht im Kampf mit einem anderen Clan.«
»Früher oder später wird es wieder einen Kampf geben, dann müssen wir darauf vorbereitet sein. Eines Tages wird Löwenpfote all sein Können brauchen. Ich bin stolz auf ihn. Ich bin stolz auf alle meine Jungen: Löwenpfote ist ein ausgezeichneter Kämpfer, Häherpfote kennt, wie Blattsee sagt, bereits sämtliche Kräuter …«
»Und was ist mit mir?«, fragte Distelpfote und versuchte, einen Anflug von Eifersucht zurückzudrängen. Bin ich nicht auch etwas Besonderes?
Brombeerkralle leckte ihr tröstend übers Ohr. »Du bist meine kleine Denkerin«, schnurrte er. »Ich verlasse mich auf dich, wenn es darum geht, die richtigen Entscheidungen zu treffen – und darum, dass deine Brüder nicht aus der Reihe tanzen!«
Distelpfotes Laune hellte sich auf. So ein Talent brauchte sie, wenn sie jemals die Clan-Anführerin sein sollte.
»Gut«, miaute Brombeerkralle. »Was ist jetzt mit der Jagdpatrouille?«
»Warum kann Beerennase nicht mitkommen?«, beschwerte sich Honigpfote.
»Weil er der nervigste Fellball im ganzen Wald ist«, murmelte Distelpfote zwischen zusammengebissenen Zähnen, allerdings so leise, dass ihre Freundin es nicht hören konnte.
Sandsturm und Honigpfote hatten sich Brombeerkralle und Distelpfote für die Jagdpatrouille angeschlossen. Honigpfote war erst beim Training erschienen, als es fast schon vorbei war, und erzählte nun beharrlich jeder Katze, dass Beerennase die Kampftechniken viel besser beherrsche. Distelpfote konnte sich kaum darauf konzentrieren, Beute aufzuspüren, weil ihre Mitschülerin ständig weiter von dem cremefarbenen Krieger schwärmte.
»Beerennase war bei der Morgenpatrouille dabei«, erklärte Sandsturm mit mehr Geduld, als Distelpfote aufgebracht hätte. »Er verdient eine Pause.«
»Aber wir würden viel mehr fangen, wenn er dabei wäre«, beharrte Honigpfote. »Er ist ein toller Jäger.«
»Nun, wir werden irgendwie ohne ihn zurechtkommen müssen«, miaute Sandsturm.
Der sarkastische Ton in der Stimme der roten Kätzin war Honigpfote entgangen. Sie plapperte einfach weiter von Beerennase, bis Distelpfote ihr am liebsten den Schwanz um die Schnauze geschlungen hätte, um sie zum Schweigen zu bringen. Genervt rannte sie ein Stück voraus, um Honigpfotes Stimme zu entkommen.
Das Sonnenhoch war gerade
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