Verbannt
Gedächtnis nicht sein«, entgegnete Eichhornschweif spitz. »Er wird es noch nicht vergessen haben.«
Distelpfote begriff nicht, warum das Auftreten der Wind-Clan-Patrouille auf einmal von reserviert zu feindselig gewechselt war und warum ihre Mutter darauf so bissig reagierte. Weshalb wurden die WindClan-Katzen bloß so nervös, wenn es um Krähenfeder ging?
»Ich kann nicht einfach gehen und Krähenfeder holen«, miaute Hellschweif. »Du musst zuerst mit Kurzstern sprechen.«
»Das ist mir klar.« Geschickt sprang Eichhornschweif über die Trittsteine auf das WindClan-Territorium, wobei sie Fetzohr einen bösen Blick zuwarf. Distelpfote überquerte den Bach mit mehr Vorsicht. Das schnell fließende Wasser sprudelte nur eine Mauseschwanzlänge von ihren Pfoten entfernt.
Während die Schülerin ihrer Mutter und den WindClan-Kriegern den Berg hinauf folgte, ließ sich Windpfote zurückfallen, bis er neben ihr trottete. »Was macht ihr hier?«, murmelte er leise. »Wollt ihr unser Lager ausspionieren?«
»Mach dich nicht lächerlich«, erwiderte Distelpfote. »Wieso sollte uns euer dummes Lager interessieren? Wir müssen mit Krähenfeder sprechen, das ist alles.«
»Und worüber?«, wollte Windpfote wissen.
»Das geht dich nichts an, Mäusehirn!«
Windpfotes Augen wurden schmal vor Wut. »Aber er ist mein Vater«, fing er an. »Er …«
»Windpfote.« Fetzohr wandte sich um und winkte den Schüler mit dem Schwanz zu sich. »Komm her.«
Windpfote zischte verärgert, lief dann aber schneller, bis er die älteren Krieger eingeholt hatte.
»Wie läuft dein Training, Windpfote?«, fragte Eichhornschweif.
»Nicht besonders.« Hellschweif gab ihrem Schüler keine Gelegenheit, selbst zu antworten. »Er hat eine Patrouille von Schülern rausgeführt, um festzustellen, ob die Hunde in die Randgebiete unseres Territoriums zurückgekehrt sind. Natürlich ohne vorher um Erlaubnis zu fragen und ohne dass ein einziger Krieger als Beistand dabei gewesen wäre.«
»Wir haben nur versucht …«
»Euch töten zu lassen«, unterbrach ihn Fetzohr.
Distelpfote kannte die Geschichten, wie die Hunde damals im Wald Wieselpfote getötet hatten, und sie dachte an die schrecklichen Verletzungen, die sie Lichtherz zugefügt hatten. Windpfote musste noch dümmer sein, als sie gedacht hatte, wenn er glaubte, ein paar Schüler könnten es mit einem Rudel Hunde aufnehmen und dabei mit dem Leben davonkommen.
»Und dann war da noch der Kampf mit der FlussClan-Patrouille, den du provoziert hast«, fuhr Fetzohr fort mit vor Ärger schroffer Stimme. »Sie waren nicht in unser Territorium eingedrungen, sie stahlen nicht unsere Beute, und Kurzstern war keineswegs begeistert darüber, sich bei Nebelfuß für den Ärger entschuldigen zu müssen, den du verursacht hast.«
Er stieß einen langen Seufzer aus und sagte zu Eichhornschweif: »Windpfote muss noch viel lernen, ehe er ein Krieger sein kann.«
Windpfote schaute die älteren Katzen böse an und murmelte etwas, das Distelpfote nicht verstand. Hellschweif und Fetzohr führten sie einen langen Hang hinauf zu einer Barriere aus Ginsterbüschen. Sie zwängten sich hindurch, und Distelpfote spürte, wie ihr die Dornen ins Fell stachen. Auf der anderen Seite erwartete sie der Ausblick über das WindClan-Lager.
Ein steiler Weg führte hinab in eine natürliche Senke, die getüpfelt war von Ginster und Brombeersträuchern. Distelpfote blinzelte und versuchte, den Aufbau des Lagers zu erraten. Das Lager war weniger geschützt, als sie es gewohnt war, wenngleich es unten in der Senke Mulden gab, wo Katzen Schutz suchen konnten. Sie sog prüfend die Luft ein und versuchte, anhand der Gerüche herauszufinden, wo die unterschiedlichen Katzengruppen lebten.
Aus einem tiefen Loch, das aussah wie ein verlassener Dachsbau, schwebte der durchdringende Gestank von Mäusegalle. Das muss der Ältestenbau sein. Sie brauchen immer Mäusegalle, um ihre Zecken loszuwerden. An einem Spalt in einem großen Felsen witterte sie den aromatischen Geruch von Kräutern: Das musste der Bau von Rindengesicht sein. Und aus einem Ginsterdickicht drangen warme, milchige Gerüche – dort war wohl die Kinderstube.
»Geh und bring den Ältesten etwas Frischbeute«, befahl Hellschweif Windpfote und unterbrach damit Distelpfotes Gedanken. Dann winkte sie Eichhornflug mit dem Schwanz herbei. »Folgt mir. Wir schauen nach, ob Kurzstern in seinem Bau ist.«
Distelpfote sprang hinter ihrer Mutter den Hang hinab, während
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