Verbannt
nichts«, miaute sie, als sie merkte, wie ihr Bruder vor Anspannung zitterte. »Tut mir leid, dass wir dir keine Maus mitbringen konnten.«
»Nicht das sollte dir leidtun.« Distelpfote war erschrocken, als sie die Angst und die Wut in der Stimme ihres Bruders hörte. »Es sollte euch leidtun, dass ihr einfach abgehauen und etwas so Mäusehirniges getan habt. An mich habt ihr dabei nicht gedacht, oder? Was soll ich denn tun, wenn ich euch verliere?«
Distelpfote schluckte. Sie hatte tatsächlich nicht an Häherpfote gedacht, außer sich zu vergewissern, dass er nicht merkte, wie sie die Gruppe verließen. Sie hatte völlig vergessen, wie sehr Häherpfote seine Geschwister brauchte und wie viel schwieriger es für ihn wäre, ein normales Leben zu führen, wenn sie nicht da wären.
»Es tut uns wirklich leid«, miaute sie und strich mit der Nase über die Schulter ihres Bruders. »Wir …«
»Davon kann ich mir keine Beute fangen.« Häherpfote wich vor ihr zurück, schnupperte kurz an dem Kerbelumschlag an Windpfotes Schwanz und stolzierte dann die Hecke entlang davon. »Ihnen geht’s gut, wir können weiter«, rief er im Weggehen Brombeerkralle über die Schulter zu.
»Dann kommt«, miaute Brombeerkralle. »Wir haben schon genug Zeit verschwendet.«
Er führte sie zu den anderen Katzen, die im Schatten der Hecke warteten. Charly lag zusammengerollt da und schien zu schlafen, Eichhornschweif und Bernsteinpelz hielten Wache, während sich Sturmpelz und Bach die Zungen gaben, daneben saßen die beiden Stammeskatzen eng beieinander und murmelten leise.
»Wird auch Zeit«, knurrte Bernsteinpelz und erhob sich auf die Pfoten.
»Alles in Ordnung?«, fragte Eichhornschweif. Ihre Stimme war streng, aber Distelpfote spürte ihre Sorge.
»Alles in Ordnung«, miaute Löwenpfote leise. »Wir machen so was bestimmt nie wieder.«
Brombeerkralles Stimme klang grimmig. »Das will ich euch auch geraten haben.«
Sturmpelz stupste Charly wach und die Katzengruppe machte sich wieder auf den Weg. Distelpfotes Ballen brannten von dem harten Steinboden im Zweibeinernest, ihr Pelz war heiß und juckte, weil immer noch Samen und trockenes Gras darin hingen. Bald mussten sie den Schatten der Hecke verlassen und über ein offenes Feld marschieren. Die Sonne brannte auf sie herab, Durst kratzte an ihrem Hals und ihr Magen knurrte vor Hunger. Als sie endlich den Wald auf der anderen Seite des Tals erreichten, zitterten ihre Beine vor Erschöpfung.
Brombeerkralle machte zwischen den Bäumen halt. »Hier werden wir die Nacht verbringen«, verkündete er.
»Aber es ist noch hell«, widersprach Fang. »Wir könnten ein gutes Stück weitergehen, bevor es zu dunkel wird.«
»Ich hoffe, du hältst nicht wegen der Schüler an«, fügte Krähenfeder hinzu und warf seinem Sohn einen unfreundlichen Blick zu. »Wenn sie müde sind, ist das ihre Schuld.«
»Nein, das tue ich nicht«, sagte Brombeerkralle ruhig. »Obwohl keiner von uns weit kommen wird, wenn sie zusammenbrechen. Aber wenn wir hier Rast machen, können wir morgen ganz früh aufbrechen und die Berge vor Einbruch der Nacht erreichen.«
Die Krieger zogen los, um zwischen den Farnen und Brombeersträuchern am Waldrand zu jagen. Löwenpfote und Windpfote ließen sich Seite an Seite in eine Mooskuhle zwischen einigen Baumwurzeln sinken und schliefen sofort ein.
Distelpfote hätte es ihnen gerne nachgemacht, doch sie hatte vorher noch etwas anderes zu erledigen. Auf erschöpften Beinen stolperte sie tiefer in den Wald hinein, bis sie eine Maus zwischen zwei Büschen vorüberhuschen sah. Als sie lossprang, flitzte die Maus unter einen Laubhaufen, doch Distelpfote folgte ihr und fing sie zwischen ihren Krallen.
Was für ein täppischer Fang, dachte sie, fast zu müde, um sich darüber zu ärgern.
Sie hob den schlaffen Körper auf und trug ihn zurück zum Waldrand, wo Charly lag, der die Pfoten unter seinen Körper gesteckt hatte und mit zusammengekniffenen Augen über das Tal starrte.
Eines seiner bernsteinfarbenen Augen wurde größer, als sie auf ihn zukam. »Was willst du?«, fragte er. Distelpfote hatte erwartet, dass er verärgert sein würde, aber seine Stimme klang sanft, fast freundlich.
»Ich habe dir was mitgebracht.« Sie ließ die Maus vor ihn fallen. »Zum Fressen. Und da ist noch was.« Verlegen scharrte sie mit einer Vorderpfote im Gras. »Ich … äh … ich habe gesehen, dass du ziemlich viele Zecken hast«, stotterte sie. »Ich könnte sie dir wegmachen, wenn
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