Verbannt
bohrten.
Irgendwo über ihnen erklang ein heiseres Kreischen. Häherpfote stolperte vor Schreck, und nur Eichhornschweifs Schulter, die sich gegen ihn drückte, bewahrte ihn vor einem Sturz.
»Was war das?«, keuchte er.
»Ein Adler«, erwiderte seine Mutter. »Sie können gefährlich sein, aber der hier ist weit weg. Er wird uns nicht belästigen.«
»Eigentlich schade«, rief Sturmpelz von weiter hinten. »Dann hätten wir eine leckere Mahlzeit gehabt.«
Eichhornschweif schob Häherpfote sanft weiter, aber schon nach ein paar Schritten hörte er einige Schwanzlängen über sich Nachts Stimme. »Wartet! Alle stehen bleiben!«
Häherpfote hielt inne und prallte mit der Nase gegen Bernsteinpelz’ Schwanz. »Was ist los?«, fragte er.
»Hier ist ein Spalt im Weg«, rief Brombeerkralle und seine Stimme hallte von den Felsen wider. »Wir müssen springen.«
Häherpfotes Pfoten kribbelten vor Angst, aber er hielt den Kopf hoch und weigerte sich, den Stammeskatzen zu zeigen, dass er sich fürchtete. Eichhornschweif drückte sich gegen ihn und er war froh über ihre stumme Ermunterung.
»Los, komm, Löwenpfote.« Wieder erklang Brombeerkralles warme, aufmunternde Stimme. »Du bist doch schon über den Bach an der WindClan-Grenze gesprungen und das hier ist auch nicht weiter.« Ein kurzes Schweigen, dann miaute er: »Gut gemacht! Windpfote ist der Nächste.«
Häherpfote fuhr seine Krallen aus und scharrte mit ihnen an dem steinigen Pfad, während er wartete, dass er an die Reihe kam. Er hasste diesen Ort und wusste schon gar nicht mehr, warum er jemals hierherkommen wollte. Er hatte erwartet, die Landschaft seiner Träume wiederzufinden, stattdessen wehte ihm der Wind fremdartige Gerüche zu und er spürte weder Steins Anwesenheit noch die irgendwelcher anderer Kriegerahnen. Außerdem machte ihn seine Hilflosigkeit wütend.
Seine Angst nahm zu, als er hörte, wie Bernsteinpelz Distelpfote zum Springen ermutigte.
»Schau nicht nach unten«, miaute die SchattenClan-Kätzin. »Halte den Blick fest auf Brombeerkralle gerichtet.«
»Das schaffe ich schon.« Distelpfote klang nervös.
Einen Moment später hörte Häherpfote Löwenpfotes laute Glückwünsche und wusste, dass seine Schwester den Sprung sicher geschafft hatte. Bernsteinpelz’ Geruch verschwand jäh und verriet ihm so, dass sie ebenfalls über den Felsspalt gesprungen war. Nun befand sich keine Katze mehr zwischen ihm und dem gähnenden Abgrund, den er sich vor seinen Pfoten vorstellte. Das Fell auf seinen Schultern stellte sich auf.
»Hör gut zu.« Eichhornschweif war dicht neben ihm. »Der Spalt liegt ein paar Fuchslängen vor uns und er ist etwa drei Schwanzlängen breit. So weit bist du schon öfter gesprungen. Nimm drei Pfotenschritte Anlauf und spring.«
»Ich bin hier, Häherpfote«, rief Brombeerkralle. »Sobald du drüben bist, packe ich dich.«
»Ist gut«, rief Häherpfote zurück und war stolz, weil seine Stimme nicht zitterte. Alle seine Muskeln strafften sich. »Ich komme.«
Er erlaubte sich keine Gelegenheit zu zögern, sondern stürmte los über den Fels und katapultierte sich dann mit den Hinterbeinen in die Luft. Kurz klopfte sein Herz voller Panik, dann trafen seine Pfoten dumpf auf dem Gestein auf. Er taumelte und spürte, wie ihn Löwenpfotes Schulter stützte.
»Klasse Sprung!«, miaute sein Bruder. »Wenn du ein bisschen übst, wird aus dir noch eine fliegende Katze.«
»Niemals«, murmelte Häherpfote. Er stand still, zwang seinen Atem, ruhiger zu werden, und legte sein gesträubtes Fell wieder an.
Als die übrigen Katzen die Felsspalte überwunden hatten, war er bereit, weiterzugehen. Er war sogar ein bisschen stolz auf sich. Das würde den Stammeskatzen zeigen, wozu ein blinder Schüler fähig war.
Dann spürte er, dass ihr Weg zwischen hohen Felswänden hindurchführte. Um sie herum war die Luft ganz still, obwohl der Wind in dem zerklüfteten Gestein über ihnen heulte. Ihre Stimmen hallten laut von den Felsen wider, und das Prasseln der kleinen Steine, die von ihren Pfoten losgetreten wurden, klang unnatürlich laut.
»Wir sollten uns möglichst ruhig verhalten«, miaute Fang. »Wir sind bald da und es könnten Eindringlinge in der Nähe sein.«
Der Pfad schien sich im Kreis zu krümmen und zu winden. Einmal hörte Häherpfote das Gluckern von Wasser und seine Pfoten platschten durch einen flachen Bach. Sein Magen knurrte, als er Beutegerüche witterte. Sie waren schwach und spärlich, und er fragte sich, warum
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