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Verbannt

Verbannt

Titel: Verbannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Hunter
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Pfotenschritte verrieten, dass er eine weitere Höhle betreten hatte.
    Ein eiskalter Wind zeigte ihm, dass sich diese Höhle zumindest teilweise zum Himmel hin öffnete. Als er vorwärts trat, tappte er mit der Pfote in eine Wasserpfütze. Hastig zog er sie zurück und schüttelte sie voller Widerwillen. Dann streifte sein Pelz an Gestein und er tastete es mit der Pfote ab. Es war ein Stein, der wie ein Baumstumpf aus dem Höhlenboden aufragte. Die Luft war erfüllt von seltsamen, flüsternden Echos, Stimmen, die zu leise waren, um sie zu verstehen, wie jene, die er im Wasserfall gehört hatte.
    Da sagte eine klare Stimme: »Häherpfote, willkommen in der Höhle der spitzen Steine.«
    Häherpfote erstarrte. Er hatte sich zu sehr auf seine Erkundungen konzentriert und nicht überlegt, was Steinsager wohl sagen würde, wenn er ihn hier entdeckte.
    Diese Höhle gehörte allein dem Seher, das spürte er, so wie der Bau eines Anführers im Clan-Lager. Aber jetzt konnte er nicht einfach so tun, als sei er gar nicht hier.
    »Danke, Steinsager.«
    Er hörte Pfotenschritte und stellte sich vor, wie die alte Tigerkatze auf ihn zukam. Als Steinsagers Stimme wieder erklang, war sie dicht an seinem Ohr.
    »Hier gebe ich mir mit dem Stamm der ewigen Jagd die Zunge. Sie schicken mir Zeichen, durch das Glitzern der Sterne und des Mondes im Wasser, im Tanz von Licht und Schatten auf den Steinen, die aus dem Boden aufragen und von der Decke hängen, im Echo von Wind, Wasser und Pfotenschritten.« Seine Stimme klang anders als sonst, sie hob und senkte sich und wurde dann zu einem leisen Flüstern. »Doch jetzt schicken sie mir keine Zeichen, die meinem Stamm Hilfe versprechen.«
    Häherpfote hatte seinen Respekt für Steinsager verloren, nachdem die alte Katze die Lüge von der angeblichen Botschaft vom Stamm der ewigen Jagd erzählt hatte. Doch er spürte das Alter und die Weisheit des Sehers und auch das tiefe Gefühl von Verrat, das Steinsager angesichts der drohenden Zerstörung seines Stammes empfand.
    »Unsere Vorfahren bieten uns keine Hilfe an«, fuhr Steinsager fort. »Als kümmere sie nicht, dass wir sterben.«
    Häherpfote wusste nicht genau, ob Steinsager tatsächlich mit ihm redete. Er sprach, als säße eine viel ältere Katze vor ihm, eine, die ihm kluge Ratschläge geben könnte.
    »Die Clan-Katzen schauen zum SternenClan auf«, hob Häherpfote zögernd an. »Doch selbst der SternenClan ist nicht allmächtig. Vielleicht weiß der Stamm der ewigen Jagd einfach nicht, wie er euch helfen soll.«
    »Aber warum haben sie uns dann hierhergebracht?«, krächzte Steinsager. »Sie sagten, hier wären wir sicher.«
    Häherpfote stellte die Ohren auf.
    »Wo habt ihr vorher gelebt?«, fragte er. »Warum musstet ihr eure Heimat verlassen und hierherkommen?«
    Steinsager seufzte und sein Atem zauste Häherpfotes Schnurrhaare. »Ich weiß es nicht. Seitdem sind viele Blattwechsel, viele Katzenleben verstrichen. Der Stamm der ewigen Jagd hat es mir nicht gesagt.«
    Jedes Haar in Häherpfotes Pelz kribbelte. Also hatte der Stamm nicht immer in den Bergen gelebt! Vielleicht war der Stamm der ewigen Jagd deshalb so hilflos, weil er dachte, er hätte sich geirrt und die Berge wären nicht der geeignete Ort für die Katzen. Er scharrte mit den Vorderpfoten am feuchten Boden. Wenn er nur die ganze Wahrheit kennen würde, nicht bloß diese quälend kleinen Stückchen.
    »Was besagen die Zeichen heute Nacht?«, fragte er Steinsager.
    »Sehr wenig«, erwiderte der Seher. »Der Mond scheint auf das Wasser, aber – da! – eine Wolke zieht vorüber, als seien all unsere Hoffnungen vernichtet. Das Echo verrät mir nichts, aber da drüben kräuselt der Wind die Oberfläche einer Pfütze und das bedeutet Veränderung.«
    Er seufzte wieder und klang dabei unsagbar müde. »Was für eine Veränderung das sein wird, weiß ich nicht. Ich werde jetzt schlafen. Gute Nacht, Häherpfote.«
    »Gute Nacht.« Häherpfote hörte, wie sich die Pfotenschritte der alten Katze zurückzogen, und dann ein Rascheln, als machte er es sich in einem Moosnest bequem. Lauschend stand Häherpfote da, während die Geräusche erstarben, und versuchte, aus den Echos in der Höhle etwas herauszulesen, doch sie verrieten ihm nichts.
    Er tappte zur Höhlenwand und entdeckte eine Kuhle im Boden. Sie war aus bloßem Gestein, ohne ein bequemes Polster, aber er rollte sich in ihr zusammen, weil er wusste, dass er nur in seinen Träumen die Antworten auf seine Fragen finden

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