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Verbannte der Ewigkeit

Verbannte der Ewigkeit

Titel: Verbannte der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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klopfte Barrett an Latimers Tür. Nichts rührte sich, und nach ein paar Sekunden öffnete Barrett selbst. Im Hawksbill-Lager gab es keine Schlösser.
     
    Latimer saß in der Mitte der Hütte auf dem kahlen Boden, die Beine im Schneidersitz gekreuzt, und meditierte. Er war eine schlanke, hochgewachsene Gestalt mit sanften Gesichtszügen. Im Augenblick schien er eine Million Kilometer entfernt und ignorierte die Besucher völlig. Hahn zuckte die Achseln, Barrett legte einen Finger an die Lippen. Sie warteten schweigend ein paar Minuten, dann schien Latimer aus seiner Trance zu erwachen.
    Er erhob sich mit einer einzigen, geschmeidigen Bewegung, ohne die Arme zu Hilfe zu nehmen, und sagte mit höflicher Stimme zu Hahn: »Du bist gerade gekommen?«
    »Vor etwa einer Stunde. Ich heiße Lew Hahn.«
    »Donald Latimer. Ich bedauere, in dieser deprimierenden Umgebung deine Bekanntschaft machen zu müssen, aber vielleicht brauchen wir diese ungerechte Art der Bestrafung nicht mehr lange zu ertragen.«
    Barrett warf ein: »Lew wird bei dir wohnen, Don. Ich glaube, ihr werdet gut miteinander auskommen. Er ist Ökonom und kommt aus dem Jahre 2029.«
    Ein fiebriger Glanz spiegelte sich in Latimers Blick. »Wo hast du gewohnt?«
    »In San Franzisko.«
    Der Glanz verschwand sofort wieder. »Bist du mal in Toronto gewesen?«
    »Toronto? Nein«, sagte Hahn.
    »Ich komme von dort. Ich hatte eine Tochter – sie müßte jetzt dreiundzwanzig sein. Neila Latimer … es hätte ja sein können, daß du sie gekannt hast …«
    »Nein, leider nicht.«
    Latimer seufzte. »Das wäre auch ziemlich unwahrscheinlich, aber ich würde zu gern wissen, was für eine Art Frau aus ihr geworden ist. Vermutlich hat sie schon geheiratet, vielleicht habe ich sogar schon Enkel. Oder sie ist auch politisch aktiv geworden, und man hat sie in das andere Lager verbannt … Neila Latimer – du bist sicher, sie nicht zu kennen?«
    Barrett sagte Latimer noch, daß er Hahn zum Gemeinschaftsessen mitbringen sollte, um ihn den anderen vorzustellen, dann ließ er die Männer allein. Er war sicher, daß sie miteinander auskommen würden.
    Draußen hatte wieder ein leichter Nieselregen eingesetzt, und innerlich stöhnend machte Barrett sich an den Aufstieg ins Lager.
    Es hatte ihn geschmerzt, das aufflackernde Licht in Latimers Blick erlöschen zu sehen. Meist unterdrückten die Männer des Lagers Erinnerungen an ihre Familien, an Frau und Kinder. Wenn man zu lange diesen Gedanken nachhing, war man bald am Ende. Aber immer, wenn ein Neuer kam, erhoffte man sich doch ein paar Informationen über Angehörige, Verwandte oder Freunde, zumal von Oben grundsätzlich keine Nachrichten dieser Art mitgeschickt wurden oder man von hier aus sich mit der Zukunft in Verbindung setzen konnte. Es war unmöglich, etwas auch nur eine tausendstel Sekunde vorwärts in die Zeit zu schicken. Die Männer konnten niemals um ein Foto ihrer Geliebten oder um Medizin oder Ausrüstungsgegenstände bitten. In ihrer gedankenlosen, unpersönlichen Art schickten die Behörden von Oben ab und so ziemlich willkürlich zusammengestellte Lieferungen: Bücher, medizinische Geräte, Nahrungsmittel. Manchmal konnte man sich über ihre Großzügigkeit nur noch wundern, denn es kam vor, daß sie eine Flasche guten Wein, ein Batterieladegerät oder Süßigkeiten schickten. Diese Dinge deuteten dann meist darauf hin, daß sich die politische Lage Oben entspannt hatte, daß die Regierung fest im Sattel saß. In solchen Situationen wurde man in Kleinigkeiten großzügig und wollte sich den Verbannten gegenüber menschlich zeigen.
    Aber natürlich kamen niemals Zeitungen oder Magazine – eine gute Flasche Wein ja, aber niemals ein Drei-D-Bild eines Angehörigen, den man nie mehr umarmen konnte.
    Man mußte überhaupt froh sein, daß von Oben immer wieder einmal etwas geschickt wurde, denn dort konnte niemand wissen, ob die Verbannten überhaupt noch lebten. Eine Seuche konnte sie alle schon hinweggerafft haben, und niemand wußte genau, welche Auswirkungen die Zeitreise auf Menschen hatte, die mehr als drei Jahre in die Vergangenheit geschickt worden waren. Es war unmöglich gewesen, die Tests über diesen Zeitraum hinaus auszudehnen. Selbst Edmond Hawksbill hatte nicht genau sagen können, was bei einem Zeitsprung von einer Milliarde Jahren geschehen konnte.
    Also schickte man hin und wieder einfach blind etwas in die Vergangenheit, in der Annahme, es werde schon noch jemand leben, um diese Dinge in Empfang

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