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Diskretion. Sie hatte drei Regeln aufgestellt: Niemand durfte bemerken, dass sie sich trafen. Mikael durfte sie nur besuchen, wenn sie ihn anrief und in Stimmung war. Und er durfte nicht bei ihr übernachten.
Ihre Leidenschaft überrumpelte und verblüffte Mikael. Wenn er sie in Susannes Brücken-Café traf, war sie freundlich, aber kühl und distanziert. Doch sobald sie in ihrem Schlafzimmer waren, kannte ihre Leidenschaft keine Grenzen.
Mikael wollte eigentlich nicht in ihrem Privatleben herumschnüffeln, aber er war ja buchstäblich dafür angestellt worden, im Privatleben aller Familienmitglieder herumzuschnüffeln. Er war unsicher und neugierig zugleich. Einmal fragte er Henrik, mit wem sie verheiratet gewesen war. Er stellte diese Frage im Zusammenhang mit Recherchen zu Alexanders und Birgers Hintergrund und zu anderen Mitgliedern der Familie Vanger, die auf der Hedeby-Insel gewesen waren, als Harriet verschwand.
»Cecilia? Ich glaube nicht, dass sie etwas mit Harriets Verschwinden zu tun hat.«
»Erzählen Sie mir etwas über ihren Hintergrund.«
»Sie zog nach ihrem Studium hierher zurück und begann als Lehrerin zu arbeiten. Sie lernte einen Mann namens Jerry Karlsson kennen, der unglücklicherweise in unserem Konzern arbeitete. Sie heirateten. Ich dachte, die Ehe sei glücklich - zumindest anfangs. Aber nach ein paar Jahren erkannte ich langsam, dass die Dinge nicht zum Besten standen. Er misshandelte sie. Die übliche Geschichte - er verprügelte sie, und sie verteidigte ihn loyal. Schließlich hat er sie einmal zu viel geschlagen. Sie wurde schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert. Ich sprach mit ihr und bot ihr meine Hilfe an. Sie zog hierher auf die Insel und hat sich seitdem geweigert, ihren Mann noch einmal zu sehen. Ich habe dafür gesorgt, dass er gefeuert wurde.«
»Aber sie ist immer noch mit ihm verheiratet.«
»Das ist eine Frage der Definition, würde ich sagen. Ich weiß wirklich nicht, warum sie nicht die Scheidung eingereicht hat. Aber sie hat nie wieder heiraten wollen, also ist das einfach nicht aktuell geworden.«
»Dieser Jerry Karlsson, hatte er etwas …«
»… mit Harriet zu tun? Nein, er wohnte 1966 nicht in Hedestad und hatte noch nicht angefangen, für den Konzern zu arbeiten.«
»Okay.«
»Ich mag Cecilia. Sie kann schwierig sein, aber sie ist zweifellos einer der guten Menschen in meiner Familie.« Lisbeth Salander verbrachte eine Woche damit, Nils Bjurmans Hinscheiden mit der Sachlichkeit eines Bürokraten zu planen. Sie erwog - und verwarf - verschiedene Methoden, bis sie ein paar realistische Szenarien zur Auswahl hatte. Keine Affekthandlungen. Zuerst hatte sie daran gedacht, einen Unfall zu arrangieren, dann jedoch erkannt, dass es eigentlich keine Rolle spielte, wenn alles auf einen Mord hindeutete.
Nur eine einzige Bedingung musste erfüllt sein: Rechtsanwalt Bjurman musste so sterben, dass sie niemals damit in Verbindung gebracht werden konnte. Dass sie zum Gegenstand polizeilicher Ermittlungen werden würde, hielt sie für unvermeidlich. Ihr Name würde früher oder später auftauchen, sobald man Bjurmans Aktivitäten unter die Lupe nahm. Aber sie war nur eine aus einem ganzen Universum von derzeitigen und früheren Mandanten. Sie hatte ihn nur wenige Male getroffen, und wenn Bjurman nicht selbst in seinem Kalender verzeichnet hatte, dass er sie zu einem Blow-job gezwungen hatte - was sie als unwahrscheinlich einstufte -, dann gab es auch kein Motiv für sie, ihn umzubringen. Es würde nicht den geringsten Hinweis geben, dass sein Tod mit einem seiner Mandanten zusammenhinge; es existierten schließlich Exfreundinnen, Verwandte, Zufallsbekanntschaften, Kollegen und andere. Es gab sogar den sogenannten Fall der random violence , in dem Täter und Opfer sich nicht kannten.
Sie würde in jedem Fall das hilflose, unmündige Mädchen spielen, das schwarz auf weiß nachweisen konnte, dass es geistig zurückgeblieben war. Es wäre also von Vorteil, wenn Bjurman unter so komplizierten Umständen ums Leben käme, dass ein geistig zurückgebliebenes Mädchen als Täterin nicht sonderlich wahrscheinlich schien.
Den Gedanken an eine Schusswaffe verwarf sie sofort. Die Anschaffung selbst war dabei nicht das Problem, aber die Waffe konnte ihr bei den polizeilichen Ermittlungen zum Verhängnis werden.
Sie zog ein Messer in Erwägung, das man im Eisenwarenladen um die Ecke kaufen konnte, aber auch diese Idee verwarf sie. Selbst wenn sie ohne Vorwarnung auftauchte und
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