Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verblendung

Verblendung

Titel: Verblendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
Vom Netzwerk:
ausländischer Wirtschaftsjournalisten. Blomkvist beschrieb, wie »seriöse Journalisten« der Financial Times , des Economist und einiger deutscher Wirtschaftsmagazine das entsprechende Thema in ihren Ländern behandelt hatten. Der Vergleich fiel nicht zum Vorteil der schwedischen Kollegen aus. Im Schlusskapitel skizzierte er ein paar Vorschläge, wie man die bedauerliche Situation beheben könnte. Die Schlussworte seines Buches knüpften wieder an die Einleitung an:
    Wenn ein Reichstagsreporter unkritisch jeden verabschiedeten Beschluss guthieße, oder wenn ein politischer Berichterstatter einen entsprechenden Mangel an Urteilsvermögen an den Tag legte - dann würde er gefeuert oder zumindest in eine Abteilung versetzt, in der er weniger Schaden anrichten kann. In der Welt der Wirtschaftsjournalisten ignoriert man den normalen journalistischen Auftrag, alle Angaben kritisch zu prüfen und dem Leser sachlich zu berichten. Hier huldigt man vielmehr dem erfolgreichsten Schwindler. Hier wird das Schweden der Zukunft geschmiedet, und hier wird das letzte Vertrauen in die Journalisten als Berufsstand untergraben.
    Der Ton in diesem Buch war schonungslos, und Salander konnte nur zu gut die aufgeregten Diskussionen verstehen, die im Branchenblatt Der Journalist , in manchen Wirtschaftsmagazinen und auf den Wirtschafts- und Titelseiten einiger Tageszeitungen entbrannten. Auch wenn nur wenige Wirtschaftsjournalisten namentlich im Buch Erwähnung fanden - Lisbeth Salander schätzte die Branche hinreichend klein ein, sodass jeder wusste, wer gemeint war, wenn bestimmte Zeitungen zitiert wurden. Blomkvist hatte sich bittere Feinde geschaffen, was sich in schadenfrohen Kommentaren zum Urteil in der Wennerström-Affäre widerspiegelte.
    Sie klappte das Buch zu und betrachtete das Autorenfoto auf der Rückseite. Mikael Blomkvist war im Profil fotografiert worden. Der dunkelblonde Pony fiel ihm nachlässig in die Stirn, als wäre er von einem Windstoß erfasst worden, kurz bevor der Fotograf auf den Auslöser drückte. Wahrscheinlicher war jedoch, dass ihn der Fotograf Christer Malm so gestylt hatte. Er guckte mit ironischem Lächeln und einem gewollt jungenhaften und charmanten Blick in die Kamera. Ein ziemlich gut aussehender Mann. Auf dem Weg zu drei Monaten Gefängnis.
    »Hallo, Kalle Blomkvist«, sagte sie laut zu sich selbst. »Du bist ganz schön selbstsicher, was?«
     
    Gegen Mittag fuhr Lisbeth Salander ihr iBook hoch und öffnete das Mailprogramm Eudora. Sie formulierte die Nachricht in einer einzigen, prägnanten Zeile:
     
    [Hast du Zeit?]
     
     
    Sie unterschrieb mit »Wasp« und schickte die Mail an »plague_ [email protected]«. Zur Sicherheit kodierte sie die einfache Nachricht mit dem Verschlüsselungsprogramm PGP.
    Dann zog sie sich eine schwarze Jeans, feste Winterschuhe, einen Rollkragenpullover und eine dunkle Seglerjacke an, dazu passende blassgelbe Fingerhandschuhe, Mütze und Halstuch. Sie nahm die Piercingringe aus den Augenbrauen und dem Nasenflügel, legte einen zartrosa Lippenstift auf und musterte sich im Badezimmerspiegel. Sie sah aus wie jeder andere Sonntagsspaziergänger auch und betrachtete ihre Kleidung als anständige Tarnkluft für eine Expedition hinter die feindlichen Linien. Sie nahm die U-Bahn von Zinkensdamm bis zum Östermalmstorg und ging dann in Richtung Strandvägen. Während sie den Fußweg in der Mitte der Allee entlangspazierte, las sie die Hausnummern. Als sie fast bei der Djurgårds-Brücke angekommen war, blieb sie stehen und sah sich den Eingang an, den sie gesucht hatte. Sie überquerte die Straße und wartete ein paar Meter vom Eingang entfernt.
    Wie sie feststellte, gingen die meisten Menschen, die im kühlen Weihnachtswetter einen Spaziergang machten, auf dem Kai; nur wenige benutzten den Bürgersteig an der Häuserseite. Sie musste fast fünfundzwanzig Minuten geduldig warten, bis sich schließlich eine ältere Frau mit Spazierstock vom Djurgården her näherte. Sie blieb stehen und musterte Salander misstrauisch. Lisbeth nickte ihr freundlich zu. Die Dame mit dem Spazierstock grüßte zurück und schien nachzudenken, woher sie das junge Mädchen nur kannte. Salander drehte ihr den Rücken zu und ging ein paar Schritte in die andere Richtung, als würde sie ungeduldig auf jemand warten. Als sie wieder kehrtmachte, stand die alte Dame an der Haustür und tippte umständlich den Zahlencode ein. Salander konnte problemlos die Kombination 1260 erkennen.
    Sie wartete fünf

Weitere Kostenlose Bücher