Verborgen im Niemandsland
Henry Blake, dem vor Ärger das Blut ins Gesicht schoss, warf seiner Frau einen bitterbösen Blick zu.
»Wir haben die brenzlige Situation mit gemeinsamen Kräften gemeistert. Jeder hat seinen Teil geleistet, Henry nicht weniger als Chandler oder meine Wenigkeit«, sagte Silas Mortlock rasch und um Ausgleich bemüht. »Und das Wichtigste an der ganzen Sache ist, dass wir jetzt einen ausreichenden Vorrat an Pulver, Blei und Zündkapseln haben.«
Stuart Fitzroy, der Zimmermann mit der Beinprothese, meldete sich nun zu Wort. »Ich denke mal, das Blei werden wir auch bitter nötig haben, sollten die Buschbanditen eure Fährte aufgenommen haben und uns irgendwann im Nacken sitzen«, sagte er mit besorgter Miene.
»Das fürchte ich auch«, mischte sich nun Terence Rigby ein, ein sehniger, hochgewachsener Mann mit blondem, schulterlangem Haar, der nur wenige Jahre älter als Andrew war und mit seiner schwangeren Frau Jessica zu den jüngsten Teilnehmern des Trecks gehörte. »Hast du nicht gesagt, dass sich auch noch andere Buschbanditen in der Gegend herumtreiben und von diesen drei Burschen auf der Handelsstation erwartet wurden, Chandler?«
Andrew nickte. »Es muss sich um eine ganze Bande handeln, die von zwei Männern namens Gillespie und Sullivan angeführt werden. Hat irgendjemand diese Namen schon mal gehört?«
Er blickte erwartungsvoll in die Runde, sah jedoch nur allgemeines Kopfschütteln. Niemand konnte mit den Namen etwas anfangen.
»Die Kerle werden nicht so dumm sein, uns zu verfolgen«, sagte Henry Blake im Brustton der Überzeugung. »Sie wissen, dass wir gewarnt und gut bewaffnet sind. Und wenn sie es doch tun, werden sie nicht viel Erfolg haben, uns zu finden. Wir waren nicht so einfältig, Spuren zu hinterlassen, denen man leicht folgen könnte. Außerdem werden sie uns nicht so weit im Westen, sondern eher im Süden oder Südosten in Richtung Küste suchen.«
»Das mag ja sein, Henry«, erwiderte Stuart Fitzroy bedächtig. »Aber dennoch halte ich es für besser, die nächsten Tage erhöhte Vorsicht walten zu lassen, als eine böse Überraschung zu erleben.«
Das war auch die Meinung fast aller anderen. Und nach kurzer Beratung wurde beschlossen, die Nachhut zu verstärken und nachts statt wie bisher zwei nun vier Wachen aufzustellen. Zwei von ihnen sollten ein gutes Stück nördlich und östlich vom Lager entfernt Posten beziehen, damit sie fremde Reiter schon frühzeitig ausmachen und melden konnten, sodass genug Zeit blieb, zu den Waffen zu greifen und die Wagenburg auf einen möglichen Angriff vorzubereiten.
Als dies geregelt und die Nachhut bestimmt worden war, brach die Kolonne wieder gen Südwesten auf, um die restlichen Tagesstunden zu nutzen.
Bei Einbruch der Dunkelheit schlugen sie in einem steinigen Gelände mit merkwürdigen Sandsteinterrassen ihr Lager bei einem billabong auf. Sie umschlossen das Wasserloch mit ihren Fuhrwerken und Planwagen und trieben das Vieh in den Innenkreis, wo die Tiere auch bei einem Feuergefecht geschützt waren und nicht ausbrechen konnten.
Als die letzten Feuer niedergebrannt waren und die meisten sich schon in ihre Wagen oder Zelte zurückgezogen und sich in Decken eingerollt hatten, saßen Abby und Andrew noch eine ganze Weile auf dem Kutschbock und genossen die friedliche Stille, die sich über die Wagenburg legte. Auch das Vieh hatte sich rund um das Wasserloch niedergelegt, und bis auf das vertraute Schnarchen, das aus einigen Wagen drang, und das gelegentliche Schnauben eines Pferdes oder Ochsen war nichts zu hören. Vereinzelte Wolken zogen über den Nachthimmel, an dem das Kreuz des Südens wie eine einsame Sternenburg in der unendlichen Weite des Universums erschien.
Rosanna hatte sich ihr Nachtlager wie üblich unter dem Wagen hergerichtet. Vergeblich hatte Abby sie zu Beginn des Trecks davon zu überzeugen versucht, dass auch für sie noch Platz im Wagen sei.
»Eine alte Frau hat im Schlafzimmer eines jungen Ehepaares nichts verloren. Es ist im Wagen auch so schon eng genug«, war ihre unbeugsame Antwort gewesen. »Außerdem brauche ich Raum und Luft um mich herum. Da habe ich es unter dem Wagen allemal bequemer!«
Andrew hielt seinen Sohn Jonathan, in eine bunte Flickendecke gewickelt, in den Armen. Abby hatte das Baby gestillt, und nun schlief es wieder mit einem Ausdruck unschuldiger Seligkeit auf dem rosigen Gesichtchen, von dem Abby zu seinem großen Stolz behauptete, es trage schon jetzt ganz deutlich die Züge des
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