Verborgen im Niemandsland
Händler war froh, dass die drei Fremden auch ihn gefesselt hatten und mit heiler Haut davongekommen waren. Andernfalls wäre ihm ein überaus profitables Geschäft durch die Lappen gegangen, denn ihm hätten die drei Galgengesichter nicht einen lausigen Cent abgegeben. Aber das wäre noch zu verschmerzen gewesen. Viel mehr hätte es ihn gestört und beunruhigt, wenn sie die drei Reiter aufgeknüpft und in der Nähe seiner Handelsstation verscharrt hätten.
Nicht dass er zartbesaitet gewesen wäre und sich aus moralischen Gründen darüber empört hätte. Wer solch eine einsam gelegene Handelsstation im Busch betrieb, der wusste schon, worauf er sich einließ, und musste über eine gewisse Portion Skrupellosigkeit verfügen, setzte sich ein Großteil seiner Kundschaft doch nicht gerade aus gesetzestreuen freien Siedlern und Emanzipisten zusammen. Aber wenn die drei Fremden in dieser Gegend spurlos verschwunden wären, hätte er sich über die Folgen ernstlich Sorgen machen müssen, zumal alles an diesem jungen Mann namens Andrew darauf hingewiesen hatte, dass er aus gutem Hause stammte und wohl kaum als Sträfling in die Kolonie gekommen war. Und wenn ein freier Siedler mit seinen Begleitern verschwand, war damit zu rechnen, dass seine Angehörigen nach ihm suchen würden. Suchkommandos, zu denen vielleicht sogar noch Soldaten gehörten, waren jedoch das Letzte, was er gebrauchen konnte. Er machte nun mal einen Hauptteil seiner Geschäfte mit den vielen kleinen Gruppen von entlaufenen Sträflingen, die in diesem Landstrich ihre Verstecke hatten und klug genug waren, für ihre Raubzüge und Viehdiebstähle andere, dichter besiedelte Gegenden aufzusuchen, die meist mehrere Tagesritte entfernt lagen. Und wenn auf einmal Rotröcke hier durch den Busch streiften und den Banden gefährlich zu werden drohten, würden sie ihre angestammten Lagerplätze sofort aufgeben, das Weite suchen und sich hier nie wieder blicken lassen.
Und unabhängig von dieser Gefahr hatte ihn noch ein ganz anderer Gedanke beunruhigt, als es so ausgesehen hatte, als würden die drei Fremden mit einem Strick um den Hals auf seinem Gelände ihr Leben aushauchen. Er hatte ihnen nämlich kein Wort geglaubt. Nie und nimmer hatte ein gewöhnlicher Jagdausflug diesen Engländer Andrew und seine beiden Begleiter zu ihm auf die Handelsstation geführt. Er lebte seit Jahren hier draußen und wusste nur zu gut, wie jene Sorte Männer aussah, die es hier im Busch auf die Jagd trieb. Und wer sechzig Stangen Blei sowie entsprechend viel Schießpulver und Zündhütchen bei ihm kaufte, der hatte anderes vor, als sich nur einen ausreichenden Jagdvorrat zuzulegen. Mit dieser Menge konnte man einen ganzen Zug Soldaten bestens gerüstet in ein Gefecht schicken. Deshalb vermutete er, dass sie Pulver, Blei und Zündkapseln nicht für sich allein gekauft hatten, sondern dass es noch andere gab, die an dem Einkauf beteiligt waren. Wie viele es sein mochten, wo sich der Rest ihrer Gruppe befand und warum sie ausgerechnet ihn aufgesucht hatten, darüber konnte er nur Vermutungen anstellen. Aber die Ahnung, dass auf die Fremden irgendwo dort draußen im Busch wohl noch eine Zahl anderer Männer wartete, die lieber nicht zusammen mit ihnen in Erscheinung hatten treten wollen, war fast so beunruhigend wie der Gedanke an Soldatenpatrouillen in seinem Revier.
Der Streit zwischen den drei Buschbanditen erstarb, als ihnen keine neuen Verwünschungen und Vorwürfe einfielen. Und in das finstere, brütende Schweigen der Männer sagte Murtamoo plötzlich mit völlig unaufgeregter Stimme: »Da drüben liegt Taipans Messer.«
»Was sagst du?«, stieß Sean mit grimmiger Miene hervor, als glaubte er, sie wollte sich einen schlechten Scherz mit ihnen machen.
»Taipans Messer!«, wiederholte Murtamoo und deutete mit dem Kopf in Richtung auf einen Stapel Felle, die auf der anderen Seite des Raumes an der Wand aufgeschichtet lagen.
Alle Blicke gingen zum Fellhaufen hinüber. Und tatsächlich, dort ragte das mit Rillen versehene Griffstück von Taipans Messer unter einem Wombatfell hervor.
»Ich werde verrückt!«, rief Liam aufgeregt. »Das ist wirklich das Messer dieses versoffenen Buschaffen!«
»Na los, worauf wartest du noch, Murtamoo? Kriech da rüber und bring das Messer her!«, forderte Sean die Frau auf. »Wenn wir uns schnell genug von den Fesseln befreien können, haben wir vielleicht noch eine Chance, uns auf die Fährte der Mistkerle zu setzen und uns anzuschleichen, wenn
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