Verborgen im Niemandsland
hast, ist eine Schande!«, warf sie ihm wütend an den Kopf.
Er versetzte ihr eine schallende Ohrfeige. »Wage es nicht noch einmal, in solch einem Ton mit mir zu reden!«, schrie er sie an, packte sie mit brutalem Griff am Arm und zerrte sie mit sich fort zu ihrem Wagen.
Niemand griff ein, auch wenn sich viele empörte, ja sogar feindselige Blicke auf Henry Blake richteten. Aber was zwischen zwei Eheleuten vorfiel, das ging keinen etwas an. Das mussten die beiden mit sich selber ausmachen. Denn keiner von den andern wollte, dass sich irgendjemand in ihre eigenen Familienangelegenheiten mischte.
Die Menge löste sich langsam und unter grollendem Gemurmel, das Henry und den Wachen galt, auf. Vor dem Aufbruch gab es noch viel zu tun.
»Das darf nicht noch einmal geschehen!«, sagte Andrew, der mit Silas Mortlock und einigen anderen stehen geblieben war. »Weder können wir uns leisten, dass jeder tut, was ihm gerade in den Sinn kommt, noch dass jemand, der Wache halten soll, auf seinem Posten einschläft. Beides kann zu einer Katastrophe führen !«
»Das sehe ich auch so, Chandler«, sagte Terence Rigby. »Wer auf dem Wachposten seine Pflicht verletzt, muss wissen, dass er mit einer schweren Strafe zu rechnen hat! Und das gilt auch für Eigenmächtigkeiten, wie Henry Blake sie sich heute erlaubt hat.«
»Wir brauchen unsere eigenen Gesetze«, warf Abby ein. »Und so etwas wie einen Rat, besser gesagt eine Führung, die von allen akzeptiert ist und gegebenenfalls auch nötige Strafen verhängen kann.«
»Das stimmt«, sagte Stuart Fitzroy unter beifälligem Nicken der anderen. »Wir können uns nicht länger darauf verlassen, dass jeder das Richtige tut und immer das Wohl der Gemeinschaft im Augen behält. Es müssen klare Regeln her, die notfalls auch erzwungen und bei Zuwiderhandlungen bestraft werden.«
»Das geht aber nur, indem wir eine Versammlung abhalten und darüber reden, wie wir uns organisieren und welche Verbote wir aufstellen wollen«, gab Terence Rigby zu bedenken. »Und wir brauchen in diesen Dingen Einstimmigkeit. Auch müssen diejenigen, die wichtige Entscheidungen treffen und Strafen verhängen sollen, von den anderen gewählt werden, damit alles seine Richtigkeit hat und sie auch die nötige Unterstützung und Autorität haben.«
»Ja, das ist unabdingbar! Aber daran hätten wir schon viel eher denken müssen, nämlich bevor wir aus der Kolonie aufgebrochen sind«, sagte Silas Mortlock, der einer der Initiatoren des Trecks und von der ersten Stunde an dabei war.
»Noch ist es nicht zu spät dazu«, antwortete Andrew. »Ich schlage deshalb vor, dass wir die Versammlung jetzt sofort abhalten. Ob die Buschbanditen uns nun auf den Fersen sind oder nicht, diese Entscheidungen haben einfach Vorrang, wenn wir in Zukunft in Krisensituationen handlungsfähig sein wollen und damit jeder weiß, wer welchen Anweisungen zu folgen hat!«
Sein Vorschlag fand in der kleinen Gruppe ungeteilte Zustimmung. Und schon wenig später, während die ersten Strahlen der aufsteigenden Sonne auf die Planen der Wagen fielen, fand die Versammlung dann auch statt. Henry Blake nahm getrennt von seiner Frau in der hintersten Reihe Platz und beteiligte sich nicht an der Diskussion.
Einen der ersten Vorschläge machte Abby. »Ich beantrage, dass jeder, der älter als sechzehn Jahre ist, Rede-und Stimmrecht besitzt. Und dass auch Frauen in das Gremium gewählt werden können, das unsere Führung übernehmen und Übertritte der Vorschriften, die wir beschließen werden, ahnden soll!«
Niemand erhob dagegen Einspruch, und damit durften auch der siebzehnjährige Stanley und Jeremy Brown, der erst vor wenigen Wochen sechzehn geworden war, gleichberechtigt an den Beratungen und Abstimmungen teilnehmen.
Als Nächstes stellte Terence Rigby den Antrag, dass Silas Mortlock die Leitung der Beratungen übernehmen und verhindern sollte, dass alle durcheinander sprachen und sich die Diskussionen endlos im Kreis drehten.
Es erhob sich keine Gegenstimme.
Und noch bevor Silas Mortlock diese Rolle übernehmen konnte, meldete sich Andrew mit einem eigenen Vorschlag zu Wort. »Wir sollten nicht vergessen, dass wir jederzeit in eine Situation kommen können, in der es darum geht, einen Angriff oder sonst eine Gefahr abzuwehren. Denn dieser Fall kann schon während dieser Beratung eintreten. Deshalb bin ich dafür, dass wir nun zuerst jemanden aus unserer Mitte wählen, der in solch einer Situation das Kommando übernimmt. Und da Silas
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