Verborgen im Niemandsland
uns also alle einig!«, stellte Silas Mortlock zufrieden fest. »Dann an die Arbeit! Sehen wir zu, dass wir so schnell wie möglich aufbrechen!«
Als Abby mit Andrew zu ihrem Wagen ging, sah sie, wie Henry Blake verächtlich in Richtung von Silas Mortlock ausspuckte, der ihm den Rücken zugekehrt hatte.
Andrew war ihrem Blick gefolgt. »Ein unangenehmer Zeitgenosse. Ich wünschte, er würde uns verlassen. Aber vermutlich sind wir besser dran, wenn er bei uns bleibt und wir ihn unter unserer Kontrolle haben. Ich will mich ja nicht versündigen und keinem etwas Schlechtes nachsagen, aber wenn ich jemanden kenne, der das Zeug zum Judas hat, dann ist das Henry Blake!«
Abby nickte. »Mit ihm werden wir bestimmt noch Ärger bekommen!«
Achtes Kapitel
Drei mühselige Tage lang zogen sie weiter in südwestlicher Richtung, ohne dass sich die wenig einladende Buschlandschaft entscheidend veränderte. Wie bisher fiel der Blick auf dorniges Gestrüpp, Büschel aus scharfkantigem Gras, vereinzelte Pinien und die allzu vertrauten Haine und Waldstücke aus Eukalyptusbäumen, soweit das Auge reichte. Gelegentlich stießen sie auf schroffe Hügelgruppen und auch mal auf eine felsige Klamm, die sie umfahren mussten. Aber eine wesentliche Verbesserung der Bodenverhältnisse, die Hoffnung auf fruchtbare Erde hätten wecken können, gab es nicht. Und weit in der Ferne, am westlichen Horizont, erstreckte sich noch immer die wild zerklüftete, blau schimmernde Barriere der Blue Mountains, die bei den Siedlern als unüberwindbares Hindernis für eine Ausdehnung der Kolonie in direkter westlicher Richtung galt.
Allein Abby und Andrew wussten, dass es durchaus passierbare, wenn auch höchst gefährliche Übergänge über diese tief gestaffelten Ketten aus dicht bewaldeten Bergzügen mit ihren tiefen Felsschluchten gab. Aber selbst wenn sie sich genau daran erinnert hätten, auf welchen Wegen ihr eingeborener Freund und Spurenleser Baralong sie über die Blue Mountains geführt hatte3 , hätte es ihnen wenig genützt. Denn diese Pfade waren größtenteils nicht einmal mit dem Pferd zu bewältigen, geschweige denn mit einer Kolonne von so klobigen und schwer beladenen Fuhrwerken. Sie konnten nur hoffen, diesseits der Berge ein fruchtbares Tal zu finden - oder in eine Gegend zukommen , wo die Berge sich abflachten und ihre Ausläufer zu Hügelketten wurden, die mit einem Ochsengespann zu bezwingen waren.
Ä
Die Tage verliefen ohne nennenswerte Ereignisse, einmal davon abgesehen, dass ein schwerer, mehrstündiger Regenschauer das Fortkommen am dritten Tag nach der Versammlung am Wasserloch noch mühsamer machte als sonst schon - und dass die Sorge mit ihnen reiste, die Buschbanditen könnten auf ihrer Fährte sein.
Als sie am späten Morgen nach den langen Regenstunden des Vortages den Kamm einer lang ansteigenden Hügelkette erklommen hatten, lag plötzlich ein Fluss vor ihnen, der sich aus Nordwesten kommend in weiten Schlangenlinien durch das hügelige Gelände wand. Er maß in seiner Breite gute sechzig bis siebzig Yards, hatte eine schlammig braune Farbe und floss mit beachtlicher Strömung dahin. Niemand wusste, wie er hieß, und so gaben sie ihm den Namen Muddy River.
»Jetzt ist guter Rat teuer!«, rief Abby, als sie ihren Wagen auf der weitläufigen Anhöhe neben dem Fuhrwerk zum Stehen brachte, der ihrer Freundin Megan und deren Mann Timothy O'Flathery gehörte.
Megan fuhr sich mit ihrem bunten Kopftuch über das staubige Gesicht. »Warum müssen wir denn jetzt schon auf so einen breiten Fluss stoßen!«, klagte sie. »Jeder Flusslauf, der breiter als ein Bach ist, durch den man gefahrlos hindurchwaten kann, ist mir zuwider - von Meeren, die man mit dem Schiff überqueren muss, ganz zu schweigen. Wie soll es jetzt bloß weitergehen?«
»Auch dafür wird sich eine Lösung finden, Megan«, sagte ihr Mann beruhigend und tätschelte ihr Knie. »Wer bis ans Ende der Welt gesegelt ist, der wird nicht vor einem solchen Fluss in die Knie gehen und aufgeben!«
»Ob es uns nun gefällt oder nicht, wir müssen hinüber, Megan. Uns bleibt gar keine andere Wahl«, sagte Rosanna neben Abby. »Denn so ein breites Gewässer verläuft sich nicht irgendwo im Busch, sondern hat sich seinen Weg bis zum Meer gebahnt.«
Abby nickte, denn Kapitulation und Umkehr kamen ganz sicher nicht infrage.
Megan gab einen leidvollen Stoßseufzer von sich.
Die Siedler versammelten sich auf der Hügelkuppe, um zu besprechen, wie sie angesichts dieses
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