Verborgen im Niemandsland
Mortlock mehrere Jahre Dienst auf einem Kriegsschiff gemacht hat...«
»Ja, bis man ihn wohl wegen Feigheit vor dem Feind, Desertation oder was weiß ich durch die gesamte Flotte gepeitscht und gnädiger Weise nicht an der nächsten Rah aufgeknüpft, sondern in ein Verlies gesteckt und dann in die Verbannung geschickt hat!«, kam es höhnisch von Henry Blake.
Andrew überging diese bösartige Bemerkung, indem er ruhig fortfuhr: »...und damit wohl der Einzige von uns ist, der über militärische Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, schlage ich ihn für diesen Posten vor.«
»Ja, wer dafür ist, hebe die Hand!«, rief Terence Rigby.
Alle bis auf Henry Blake sprachen sich mit Handzeichen für Silas Mortlock als ihren militärischen Führer aus - auch Jane Blake, die fernab von ihrem Mann ganz vorn in der Runde Platz genommen hatte.
Abby warf ihrem Mann ein verstohlenes Lächeln zu. Sie wusste genau, warum er es so eilig gehabt hatte, Silas Mortlock vorzuschlagen. Gewiss wollte er nicht, dass die Leute aufgrund des Respektes, den sie ihm als dem einzigen freien Siedler in ihren Reihen entgegenbrachten, auf die Idee kamen, ihm diese verantwortungsvolle Position anzutragen. Henry Blake mochte zurzeit wenig Sympathien bei den Mitgliedern des Trecks genießen. Aber sie würden noch viele Monate, wenn nicht sogar Jahre, zusammenbleiben und aufeinander angewiesen sein. Spannungen und Auseinandersetzungen waren damit so sicher wie Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Und in derartigen Konflikten konnte es doch leicht dazu kommen, dass die alten Animositäten zwischen einstigen Sträflingen und freien Siedlern, die das Leben in der Kolonie vielfach prägten, auch in ihrem Kreis auflebten. Dem hatte Andrew schon jetzt vorbeugen wollen. Man sollte ihm nicht vorwerfen können, er hätte seinen Status missbraucht, um sich Macht über die anderen zu verschaffen. Und sie hielt sein Vorgehen für einen sehr klugen und weitsichtigen Schritt.
Silas Mortlock nahm die Wahl an und schlug nun die Wahl eines Fünfer-Rates vor, der als Richtergremium in Streitfällen aller Art angerufen werden und vor allem bei der Verhängung von Strafen das letzte Wort haben sollte. Andrew war der Erste, der in diesen Fünfer-Rat gewählt wurde und auch die meisten Stimmen erhielt. Jemand schlug auch Abby vor, doch sie lehnte es dankend ab, diesem Rat anzugehören. Sie begründete ihre Ablehnung damit, dass es nicht angebracht sei, dass aus einer Familie gleich zwei Personen in eine solch wichtige Position gewählt wurden. Die Wahl fiel danach auf Silas Mortlock, Terence Rigby, Timothy O'Flathery, den Mann von Abbys Freundin Megan, und Deborah Brown, die Frau des einstigen walisischen Waldarbeiters. Sie war eine ebenso resolute und tatkräftige wie hilfsbereite Person, die sich wegen ihrer schier unerschöpflichen Energie und ihres fröhlichen Wesens großer Beliebtheit erfreute.
Man kam überein, sich an diesem Morgen nur auf die aller-notwendigsten Regeln zu verständigen und die Beratung über alle weiteren Belange von untergeordneter Wichtigkeit auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.
Zu den wichtigsten Übereinkünften, auf die sich die Versammlung fast einstimmig einigte, gehörten das Verbot, sich während des Trecks eigenmächtig zu entfernen, und die Verhängung von einem Dutzend Rutenschlägen für jeden, der auf seinem Wachtposten einschlief. Henry Blake war der Einzige, der bei jeder Abstimmung weder dafür noch dagegen die Hand hob, sondern sich seiner Stimme enthielt.
»Ein Letztes, aber doch sehr Entscheidendes«, sagte Silas Mortlock am Ende der Beratung. »Wer meint, unter diesen Bedingungen, auf die wir uns eben geeinigt haben, am Treck nicht weiter teilnehmen zu können, der soll sich jetzt melden und seines eigenen Weges ziehen. Wer dagegen mit uns weiterzieht, verpflichtet sich damit, all das zu respektieren, was der Fünfer-Rat und die Versammlung aller Siedler beschlossen haben und noch beschließen werden, und sich bei Nichtbefolgen der Strafe zu unterwerfen, die der Fünfer-Rat nach gewissenhafter Anhörung von Anklage und Verteidigung und ebenso gewissenhafter Beratung über ihn verhängt. Noch ist es jedem freigestellt, den Treck zu verlassen.«
Er blickte in die Runde, während sich ein langes, gespanntes Schweigen über die Männer, Frauen und Kinder legte. Jeder sah sich um, ob wohl jemand der Aufforderung folgen und sich von ihnen trennen würde. Aber niemand stand auf - auch nicht Henry Blake.
»Gut, wir sind
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