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Verborgen im Niemandsland

Verborgen im Niemandsland

Titel: Verborgen im Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie damit rechnen musste, ihn im Sommer wochenlang fern von sich und unbekannten Gefahren ausgesetzt zu wissen?
    Andrew ahnte, was sie beschäftigte. »Aber noch ist nichts entschieden. Wir werden erst noch in der Versammlung aller Siedler darüber beraten müssen. Und wer weiß, was dabei herauskommt. Vielleicht halten unsere Vorräte ja doch länger, als wir denken«, sagte er etwas zu hastig und in einem zu beiläufigen Tonfall, um ihre geheimen Befürchtungen zum Schweigen zu bringen. »Zerbrechen wir uns also nicht schon jetzt den Kopf darüber, was vielleicht irgendwann Anfang nächsten Jahres sein wird.« Dann wechselte er geschickt das Thema und verwickelte sie in ein längeres Gespräch über die Projekte, die er nach dem Ziehen des Weidezaunes in Angriff nehmen wollte.
    Als sie schließlich zum Brunnen hinübergingen, um sich vor dem Abendessen gründlich zu waschen, blickte Abby noch einmal zum Fluss hinunter, der mit seiner mäßigen Breite von nicht mehr als dreißig Fuß gemächlich dahinfloss, und sagte unvermittelt: »Wir hätten kaum ein schöneres Tal finden können, um eine eigene Farm aufzubauen. Aber eines vermisse ich doch.«
    »Und das wäre?«
    »Der Hawkesbury mit seiner majestätischen Breite.«

Siebzehntes Kapitel
     
    Emily konnte sich nicht mehr riechen - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, stank sie doch von Kopf bis Fuß nach Mist, der ihr einfaches Kattunkleid durchtränkt hatte, als wäre sie in eine Jauchegrube gefallen. Und ein ähnliches Missgeschick war ihr auch passiert.
    Während Abby zum Jäten in den Gemüsegarten gegangen war, hatte sie den Stall ausgemistet. Zwar wäre eigentlich Rosanna damit an der Reihe gewesen. Aber sie hatte darauf bestanden, ihr diese nicht gerade angenehme Arbeit abzunehmen, zum Dank für die vielen kleinen und großen Aufmerksamkeiten, mit denen Rosanna sie auf ihre mütterliche Art bei allen nur möglichen Gelegenheiten beschenkte. Gleiches galt auch für Andrew und insbesondere für Abby, die ihr in den vergangenen Monaten wie zu einer lieben älteren Schwester geworden war, zu der sie mit all ihren Kümmernissen und Sorgen kommen konnte. Und Andrew war ein Mann, zu dem man einfach aufschauen musste, so wie sie es einst bei ihrem Vater hatte tun können.
    Welch großes Glück sie doch gehabt hatte, gerade bei ihnen so herzliche Aufnahme gefunden zu haben und sich nicht wie eine lästige Verpflichtung vorkommen zu müssen, der man sich so schnell wie möglich zu entledigen wünschte. Ja, die Chandlers und Rosanna waren zu ihrer neuen Familie geworden, soweit das überhaupt möglich war, wenn man in so kurzer Zeit die Brüder und Eltern verloren hatte.
    Wütend über ihre eigene Ungeschicklichkeit, folgte sie dem schmalen Trampelpfad, den sie im Laufe der vergangenen Monate auf ihrem eigenen Land, der noch brachliegenden und ungerodeten McGregor-Parzelle, selber in das Gras getreten hatte und der sich um Dickichte und mehrere Eukalyptushaine schlängelte. Dieser Pfad teilte sich unterhalb eines kleinen Hügels. Die rechte Abzweigung wand sich zum Fluss hinunter, während die linke zum Hügel hinaufführte, wo sie im Schutz einer Gruppe von Frangipanis und einigen Queckenbüschen ein Kreuz für ihren Vater errichtet hatte.
    Andrew hatte ihr angeboten, ihr bei der Anfertigung des Kreuzes zur Hand zu gehen. Sie hatte jedoch darauf bestanden, die beiden Latten eigenhändig aus einem Brett zu sägen, die Kanten sorgfältig abzuschleifen, die Enden ein wenig zu verzieren und zum Schluss den Namen ihres Vaters sowie das Jahr seiner Geburt und seines Todes in die Querstrebe einzuschnitzen.
    Auch hatte sie vor dem Kreuz einen selbst angefertigten, kleinen Holztrichter in die Erde gesetzt, den sie regelmäßig mit frischen Wildblumen schmückte. Kein Tag verging, an dem sie diesem Ort nicht wenigstens einen kurzen Besuch abstattete und zu einem Gebet für die Seele ihres Vaters niederkniete. Eines Tages, vielleicht schon im kommenden Februar, würde hier auch der Leichnam ihres Vaters ruhen, das hatte ihr Andrew versprochen. Und sie zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass er sein Wort auch halten würde.
    Aber an diesem heißen Oktobernachmittag ging sie nicht zuerst auf den Hügel, sondern nahm die Abzweigung zum Fluss hinunter. Denn so verschmutzt, wie sie war, und so, wie sie stank, würde sie kaum die nötige Andacht finden, die das Andenken ihres Vaters verdiente. Wie hatte sie bei der letzten Fuhre Mist sich auch nur so dumm anstellen können, dass

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