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Verborgen im Niemandsland

Verborgen im Niemandsland

Titel: Verborgen im Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie hier zu waschen?«
    »Na ja, gewaschen hast du ja wirklich«, sagte er mit einem entwaffnenden Lächeln und deutete auf das Kleid, das ganz in seiner Nähe vom Ast hing.
    »Dennoch hättest du so viel Anstand haben müssen, dich viel früher bemerkbar zu machen!«, hielt sie ihm vor.
    Er zuckte in einer scheinbar hilflosen Geste die Achseln. »Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist, als ich dich da so... so im Wasser vor mir gesehen habe. Ich glaube, ich war irgendwie ... na ja, verzaubert eben.« Und nun schoss ihm das Blut ins Gesicht.
    Emily wusste nicht, was sie darauf sagen sollte, begann ihr Herz doch wie wild zu rasen. »Der Zauber hat jetzt ein Ende!«, stieß sie schließlich mit belegter Stimme hervor, als sie sich wieder unter Kontrolle hatte. »Und jetzt dreh dich gefälligst um. Mir wird langsam kalt und ich will aus dem Wasser.«
    »Klar doch!«, sagte er. Doch statt sich umzudrehen, zog er das Kleid vom Ast und sagte mit einem verschmitzten Lächeln: »Aber alles hat seinen Preis, du Wassernixe!«
    »Was soll das?«
    »Wenn du willst, dass ich dir das Kleid zurückgebe, kostet es dich einen Kuss!«, sagte er.
    »Rede keinen Unsinn, Stanley Watling! Leg sofort das Kleid zurück! Und dann gehst du nach oben und drehst dich um, bis ich mich angezogen habe!«
    Lachend schüttelte er den Kopf. »Nein, werde ich nicht! Unter einem Kuss mache ich es nicht.« Seine Stimme nahm einen veränderten, zärtlichen Tonfall an, als er dann noch hinzufügte: »Denn ich finde, es wird höchste Zeit für einen ersten Kuss.« Fragend sah er sie an.
    »Du bist unverschämt, Stanley!«, stieß sie hervor, vermochte sich jedoch nicht dazu zu bringen, ihn empört anzusehen. Denn ihn zu küssen, davon träumte auch sie schon seit langem.
    »Wenn du beim Grab deines Vaters schwörst, dass dir nichts an einem Kuss von mir liegt, dann werde ich nicht darauf bestehen und dir das Kleid einfach so geben und verschwinden, Emily«, sagte er leise. »Aber wenn du auch nur halbwegs das für mich empfindest, was ich für dich empfinde, dann möchte ich diesen Kuss - und zwar jetzt.« Und fast flehend setzte er hinzu: »Bitte, Emily!... Nur einen einzigen Kuss!«
    Wie konnte sie schwören, nichts für ihn zu empfinden, wo doch das genaue Gegenteil zutraf! Und sie wusste, dass er es wusste.
    »Das ist... nicht fair, Stanley«, hauchte sie mit glühenden Wangen, und ihr war, als wäre ihr wild jagendes Herz ihr in die Kehle gerutscht.
    »Stimmt, aber ich weiß nicht, wann ich wieder den Mut aufbringe, dich darum zu bitten«, erwiderte er.
    »Also gut! Aber nur einen Kuss«, sagte sie und gab ihren Widerstand auf, der sich allein ihrer Erziehung und dem Gebot der Schicklichkeit verpflichtet fühlte, nicht jedoch ihren Gefühlen. Und die waren stärker als alles andere. »Aber zuerst wirst du dich umdrehen, damit ich meine Leibwäsche anziehen kann.«
    Er nickte, legte das Kleid zurück, ließ den Buschhacker neben sich ins Gras gleiten und wandte ihr den Rücken zu.
    Emily stieg aus dem Fluss, schlüpfte rasch in ihre Unterhose und zog das Leibchen über. Beides klebte ihr wie eine zweite dünne Haut pitschnass am Körper und betonte mehr ihre reizvollen Formen, als dass sie etwas verhüllten. Aber das kümmerte sie jetzt nicht mehr.
    Dann trat sie zu ihm und räusperte sich verlegen. »So. Jetzt... jetzt kannst du deinen Kuss bekommen, Stanley.«
    Er drehte sich wieder zu ihr um.
    Aufgeregt und hastig beugte sie sich zu ihm vor, stellte sich auf ihre Zehenspitzen und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund.
    »Nein!«, rief er halb lachend, halb protestierend. »Das ist kein richtiger Kuss, Emily!... So hat mich meine Mutter immer auf die Stirn geküsst, wenn sie mich als kleines Kind ins Bett gebracht hat.«
    Bevor Emily noch etwas erwidern konnte, legte er auch schon seine linke Hand in ihren Nacken, zog sie mit sanftem, aber unwiderstehlichem Druck zu sich heran und küsste sie auf die Lippen, während sich seine andere Hand nun auf ihren Rücken presste.
    Es war kein stürmischer, doch ein langer und inniger Kuss, der sie bis in ihr Innerstes erschauern ließ und mit einer Zärtlichkeit erfüllte, die sie nicht für möglich gehalten hätte. Ihr war, als wiche alle Kraft aus ihrem Körper, während ihre Lippen verschmolzen und sie an ihn geschmiegt stand.
    »O Stanley!«, flüsterte sie atemlos und fast schwindelig vom Aufruhr ihrer Gefühle, als sich sein Mund schließlich widerstrebend von ihren Lippen löste.

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