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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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dich mir gestellt hast, in Pylos. Du hast meine Geduld wahrhaftig strapaziert, Ben.«
    »Das ist doch alles Bockmist. Ich dachte, ihr treibt irgendwelchen Blödsinn …«
    »Dass wir Spielchen spielen? Nein, das hast du nicht gedacht. Du hast gewusst, dass mehr dran ist. Danach hast du mich einmal gefragt, und ich habe es dir gesagt. Nicht dass du je viele Fragen gestellt hättest. Lieber nicht die Antworten auf alles wissen. Ungewissheit ist allemal bequemer. Du wolltest es für dich lieber im Dunkeln lassen, wolltest mit uns zusammen sein, und deshalb hast du, solange es ging, in uns nur das gesehen, was du am liebsten sehen wolltest.«
    »Das stimmt nicht«, sagte er lahm, ohne jeden Widerspruchsgeist. Er merkte, dass dem Schock, der ihm in den Knochen saß, kaum Überraschung beigemengt war.
    Die Erkenntnis brach sich Bahn wie etwas künstlich Aufgestautes: erst tröpfchenweise, ein Rinnsal schaler Erinnerungen, dann wurde es zum Sturzbach, zum Erdrutsch, zur reißenden Flut.
    Sie waren sehr nett zu ihm gewesen. Hatten ihn in ihren Kreis aufgenommen. Merkwürdige Kinder, ältere Kinder, die ihn bei einem Spiel mitspielen ließen, das er nie ganz verstanden hatte, mit Regeln, die ihm nie erklärt worden waren, die er nie richtig begriffen hatte. Letztlich hatte er sich auch keinen Begriff davon machen wollen, hatte nie große Forderungen an sie gestellt – Fragen ja, das schon, aber irgendwie nie die richtigen. Er hatte Jasons Bigotterie und Max’ beharrliche Feindseligkeit hingenommen, vor allem aber seine eigene, anscheinend notwendige Ignoranz. Es war ihm wichtiger gewesen, mit ihnen zusammen zu sein, als zu wissen, was sie vor ihm verheimlichten. Selbst als er damals in Pylos endlich auf Antworten bestand, hatte er sich mit halben Antworten zufriedengegeben. Und an seiner Zufriedenheit festgehalten. Es hatte ihm genügt, mit ihnen zusammen zu sein, auch wenn er keiner von ihnen war, nicht richtig dazugehörte: keiner von Uns .
    Er wusste alles Mögliche. Zum Beispiel, dass sich etwas in der Höhle befand. Und die Jagd mehr als nur ein Spiel war. Seit er sie kannte, wusste er, dass sie etwas zu verbergen hatten. Vielleicht war ihm die erste schwache Ahnung – aber wie hätte er damals irgendetwas verstehen sollen? – sogar schon an dem Abend gekommen, als er Eberhard allein mit seiner Broschüre in dem Grillimbiss in Metamorphosis sitzen sah.
    »Verstehen« ist ein seltsames Wort, oder?
    »Es ist an der Zeit, Ben, dass du an etwas glaubst«, sagte Eberhard gerade, aber davor war noch etwas anderes gekommen, das hatte er wieder einmal verpasst. Er schüttelte sich, um den Kopf frei zu bekommen. »Du bist ja ganz blass. Ist dir nicht gut?«
    »Wo denkst du hin. Keine Bange, mir geht’s prima.«
    »Komm, setz dich her. Besser?«
    »Ja, danke.«
    Seine Stimme klang ihm fremd in den Ohren. Zu erbärmlich und verletzlich. Das Zimmer kam ihm kälter vor. Er vergrub das Gesicht in den Händen. Als er wieder aufschaute, sah er Eberhard durch den schummrigen Raum in den Flur Richtung Küche verschwinden.
    »Eb«, sagte er, dann noch einmal lauter: »Eberhard?«
    Keine Antwort. Er wartete einen Moment, stand dann auf und ging ihm nach. Eberhard räumte schon eingepackte Wasserflaschen aus einer Umhängetasche zurück auf die leeren Borde des offenen Küchenschranks.
    »Was tust du da?«
    »Ich bringe dich jetzt nach Hause.«
    »Ich dachte, wir fahren zu der Höhle.«
    Vorher hatte Eberhards Stimme freundlich geklungen. Nun wirkte er auf einmal kurz angebunden.
    »Du scheinst zu glauben, dass ich mich in dir geirrt habe. Ich muss gestehen, das enttäuscht mich, aber ich bin bereit, dich beim Wort zu nehmen.«
    Er machte den Küchenschrank zu und ließ die Hand auf der Tür, wie um sie zu bewachen. Ben trat näher.
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Ach nein? Du hast es aber sehr deutlich gemacht. Wofür ich dir dankbar sein sollte, da wir uns keine Irrtümer erlauben können.«
    »Das ist nicht fair, und das weißt du ganz genau.«
    »So?«
    »Du hast es versprochen.«
    »Und zwar in gutem Glauben, aber du sagst ja, ich hätte dich falsch verstanden.«
    Sie standen nun dicht voreinander und sprachen gedämpft wie ein in der Öffentlichkeit in einen scheußlichen Streit verstricktes Paar.
    »Du hast gesagt, du würdest mir vertrauen.«
    »Das habe ich. Und es gilt weiterhin.«
    »Dann erzähl’s mir.«
    »Willst du das auch ganz bestimmt?«
    »Ich will immer noch mit dir dahin.«
    »Das ist nicht dasselbe. Ich

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