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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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bezweifle nicht, dass du zu uns gehören willst. Ich habe keinerlei Zweifel an dir, sonst wärst du heute Abend nicht hier. Meine einzige Sorge ist, dass du womöglich an dir selbst zweifelst. Du scheinst mir hin und her gerissen zu sein, Ben. Entscheide dich. Jetzt. Es gibt kein Zurück.«
    Schweigen. Durch die verklumpte Ventilatoröffnung hörte er Tauben in den Dachrinnen trippeln. Dann regten sich selbst die Vögel nicht mehr, und es wurde so still, dass er tief in seinen Ohren das Blut schwach und stetig pochen hörte.
    »Wie soll ich eine Wahl treffen, wenn ich gar nicht weiß, worum es geht?«
    »Da wirst du mir wohl vertrauen müssen.«
    Aus heiterem Himmel kam ihm Emine in den Sinn. Die Erinnerung an sie war so konkret, so sinnlich und so bedeutungslos, hatte so gar nichts mit diesem neuen Leben zu tun, dass er sie fortschob, als wäre sie nichtig.
    »Gut.«
    »Was willst du?«
    »Einer von euch sein.«
    »Dann bist du es.«
    »Was seid ihr?«, fragte er wieder. Eberhard umarmte ihn, drehte sich um und öffnete den Kühlschrank, dessen gespenstisches Licht von der Seite auf sein Gesicht fiel.
    »Komm mit, dann siehst du es.«
     
Es war ein ruhiger Abend, nur ab und zu kam ein Lastwagen und nach Afision gar nichts mehr, nur der Motor und die Straße, und die Feuerwerkssterne der Insekten, die im Scheinwerferlicht auftauchten, aufschlugen und verschwunden waren.
    Seit der nächtlichen Jagd war er nicht mehr nach Einbruch der Dunkelheit an der Grabungsstätte gewesen. Damals war er aufgeregt gewesen, begeistert von ihrem Miteinander. Diesmal verspürte er keine Aufregung, sondern eine zermürbende Ängstlichkeit, die sich schon bald zu Müdigkeit vertiefte. Von der stickigen Luft und der Dunkelheit wurde er träge. Sie schwiegen meistens, doch wenn sie redeten, hatte er das Gefühl, dass seine Zunge ebenso schwerfällig war wie seine Gedanken.
    »Ich hab dich nie gefragt, warum du damals in Athen warst.« »Das wäre mir auch nicht recht gewesen. Ehrlich gesagt hab ich darauf hingearbeitet, dass du mich das nicht fragst.«
    »Hast du da Waffen gekauft?« »Das war auf einer anderen Reise. Nein, ich war als Beobachter dort. Wir hatten gerade mit dem begonnen, was wir uns vorgenommen haben – das… war ein paar Wochen davor. Max wollte, dass einer von uns die… Reaktion auf unsere erste Aktion verfolgt. Ich bin für zwei Tage nach Athen gefahren. Ich musste diskret vorgehen. Ich brauchte eine Bleibe nicht zu weit außerhalb, aber in einer ruhigen Gegend.«
    »Metamorphosis.«
    »Ich hab’s mir nach dem Namen ausgesucht. Der schien mir passend. Ich hab’s da ziemlich trist gefunden, ich weiß nicht, wie du das ausgehalten hast. Das Hotel war entsetzlich. Aber schließlich hätten wir uns nicht wiedergesehen, wenn ich nicht da abgestiegen wäre. Ich bin froh, dass wir dich gefunden haben, Ben. Du kamst uns gerade recht.«
    Sie waren von der Straße am Fluss abgebogen, bergauf Richtung Ausgrabung. Das Reifengeräusch war auf dem Fahrweg lauter. Die Bäume hatten mächtig ausgetrieben, und die Zweige schlugen gegen die Fenster.
    Sie kamen oben an. Eberhard stellte den Wagen im Mondschatten der Zypressen ab.
    »Wir können zu Fuß weitergehen. Kannst du eine Tasche nehmen?«
    »Ich versuch’s. Ich weiß nicht, warum ich so müde bin.«
    »Es könnte ein leichter Schock sein. Wir müssen aufpassen, dass du nicht frierst. Aber ein bisschen frische Luft wird dir sicher nicht schaden.«
    Tatsächlich wurde sein Kopf schon klarer, kaum dass sie losgegangen waren. Es war eine wolkenlose Nacht, und die kühle Luft wirkte belebend. Sie stiegen zwischen den Gruben hindurch den Nordhügel hinauf, dann über ein Geröllfeld und eine sumpfige Senke schräg nach unten. Erst als er die Bäume vor sich sah, merkte er, dass sie fast denselben Weg nahmen wie bei der Jagd.
    Gemeinsam betraten sie den Wald. Eberhard fasste ihn am Arm. Sie gingen langsamer, als die Bäume dichter wurden. Die Umhängetaschen waren vollgepackt und entsprechend schwer. An einer war außen eine Taschenlampe angeschnallt, aber Eberhard schüttelte den Kopf. Ben sah weder Weg noch Steg, doch Eberhard blieb ab und zu stehen und spähte ins Dunkel.
    Rechts von ihnen ragte eine Gruppe von Felsblöcken auf, ein natürlicher Dolmen, der ihm vertraut vorkam wie etwas, das er irgendwann im Traum gesehen und seither vergessen hatte. Dann waren sie auf der Lichtung. Die schwarze Wüste wirkte bedrückend ohne die leuchtende Gegenwart des Tiers, das sie getötet

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