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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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jung und reich und bekam eine Stelle im Ausbildungszentrum für Panzerfahrer in Athen. 1967 wurde er zum Hauptmann befördert. Eines Nachts im Frühling desselben Jahres stürzten seine Vorgesetzten die rechtmäßige Regierung. Ich nehme an, diese Geschichte kennst du.«
    Eine Eule schrie irgendwo weiter unten. Er schauderte, weil er die Stimme des Mannes darin hörte. Im Mondlicht war die Höhle klar zu sehen, ein dunkler Splitter in der hell beleuchteten Bergflanke.
    »Es wäre schlimm genug, wenn man sagen könnte, die Mächte dieser Welt hätten nichts dagegen getan. Die Wahrheit ist, dass sie alles dafür getan haben. Ohne die Amerikaner hätte der Putsch nie stattgefunden. Der Sozialismus war stark in Griechenland. Der Westen fürchtete, dass er weiteren Zulauf bekommen könnte. Zwanzig Jahre lang hofierte Amerika die Griechen, verführte sie mit Wohlstand und mischte sich in ihre inneren Angelegenheiten ein, subtil oder auch brutal, je nachdem, was die Lage erforderte oder zuließ. Die Beziehung war die zwischen einem Kinderschänder und einem Kind. Du denkst vielleicht, das ist übertrieben. Dass der Vergleich zu gewaltsam ist. Aber welchen Vergleich soll man sonst zur Beschreibung von Gewalt anwenden? In dem Frühling damals nannte der amerikanische Botschafter den Putsch eine Vergewaltigung der Demokratie. Der CIA-Chef in Athen reagierte darauf mit der Frage, ob man eine Hure vergewaltigen könne. Man muss seine Ehrlichkeit bewundern. «
    Ben wandte sich Eberhard zu. Seine Stimme war immer noch ausgesucht ruhig. Sein Arm lag auf seinem Oberschenkel, die Hand und die Thermoskanne ausgestreckt. Es war die gleiche Haltung wie die der Figuren in dem Museum, in dem Raum mit den Masken. Chthonische Gottheiten .
    »In dem Frühjahr gab es Soldaten, die sich schwer damit taten, die Befehle ihrer Vorgesetzten zu befolgen. Kiron gehörte nicht zu ihnen. Er war einer der jungen Offiziere, die die Kommunisten fürchteten und verabscheuten wie mythische Ungeheuer. Er glaubte denen, die den Putsch als Revolution zur Rettung der Nation ausgaben. Es war alles wunderbar organisiert. Athen wurde in den Stunden nach Mitternacht besetzt. Bis Tagesanbruch waren schon Tausende verhaftet, viele von ihnen alte Leute, die seit dem Krieg aktenkundig waren. Sie wurden zunächst auf der Rennbahn in der Bucht von Phaleron festgehalten und anschließend inhaftiert beziehungsweise in Lagern auf Bergen oder Inseln interniert.
    Kiron war in Phaleron. Das Kommando frustrierte ihn. Er hätte sich lieber auf der Straße an der Rettung der Nation beteiligt. Doch seine revolutionäre Pflicht beschränkte sich auf die Wahrung der Hygiene von alten Männern. Einer der vielen, die er zu bewachen hatte, war Panos Eliopoulos. In seiner Jugend war Panos Offizier im Widerstand gewesen. In Phaleron erwarb er sich den Respekt seiner Mitgefangenen und zog sich den Unmut seiner Bewacher zu. In den niederen Rängen wurde öfter beratschlagt, was mit alten Soldaten wie Eliopoulos geschehen solle.
    Am fünften Tag nach dem Putsch hatte Kiron Aufsicht bei der nachmittäglichen Gymnastik. Jeweils fünfhundert Gefangene wurden auf die Rennbahn geführt. Gegen sechs beorderte Kiron die letzten zurück in ihre Zellen. Viele standen noch in der Schlange, als Kiron Panos beiseitenahm. Die Männer, die mit Panos zusammen waren, sagen, sie hätten gehört, wie der Hauptmann und der alte Mann auf dem Weg zur Rennbahn freundlich miteinander sprachen. Dort angekommen, zog Kiron seine Pistole und schlug damit Panos ins Gesicht. Er drosch so lange auf ihn ein, bis der alte Mann hinfiel. Als er sich nicht mehr bewegte, drehte Kiron ihn um und schoss ihm in die Brust.
    Der Lagerkommandant kannte die Familie Makronides. Fünfzehn Jahre vor dem Putsch hatte er unter Kirons Onkel in Korea gedient. Der Tod eines Gefangenen war für ihn weiter kein Problem. Die Rennbahn in Phaleron war aus Sand und nicht aus Rasen. Am Abend der Erschießung erhielten zwei junge Offiziere aus dem Ausbildungszentrum für Panzerfahrer den Befehl, den Sand so lange mit Wasser zu begießen, bis kein Blut mehr zu sehen war. Der Kommandant kam in seinem Bericht zu dem Schluss, dass Panos ums Leben gekommen sei, als er auf dem Weg zur Toilette einen Fluchtversuch unternahm. – Todesursache sei ein Schuss ins Herz gewesen. Die Kugel sei von einem Leutnant namens Kopris Kotsarides abgefeuert worden, dem daraus kein Vorwurf zu machen sei, da sein Handeln der Vorschrift entsprochen habe; allerdings findet

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