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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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Metamorphosis?«
    »Woher zum Teufel soll ich das wissen?«
    Kostandin trat zu ihm und wusch sich die Hände. »Hey, schsch, kein Problem. Modest erzählt dir seinen Witz, ich geh nach vorn. Ich bediene deinen Freund , und du lächelst wieder. Okay?«
    Ben spülte das kleine Messer ab und hängte es an das Gestell mit den metallisch klirrenden Bratspießen. Hinter ihm sagte Florent irgendetwas in seiner Muttersprache. Modest lachte, nicht ganz so unbefangen wie über seinen eigenen Witz.
    »Okay?«
    »Nein, lass mal, ich komm schon klar. Danke.«
    »Bist du sicher?«, fragte Kostandin, und es klang nicht wie eine Frage, sondern eher wie eine Antwort auf etwas, das zu absonderlich war, um akzeptiert zu werden. »Ich dachte, du willst ihn nicht sehen.«
    »Das hab ich nicht gesagt. Oder vielleicht doch. Wenn ja, hab ich mir’s anders überlegt.« Er bedeutete den anderen mit einem Lächeln, dass alles in Ordnung war, dass er zumindest mit ihnen kein Problem hatte. Er band seine Schürze ab, wischte sich die Hände ab, sammelte sich und ging wieder nach vorn.
    Noch ein paar Stammgäste waren dazugekommen, Männer, die er kannte, wenn auch nicht mit Namen, Junggesellen, für die niemand kochte, Witwer, die zu Hause niemanden hatten. Zwei alte Männer erregten sich über die Fernsehdiskussion und schlugen mit der flachen Hand auf ihre benachbarten Tische. Ben nahm ihre Bestellungen entgegen und rief sie in die Küche durch, dann ging er zu dem Ecktisch.
    Soweit er erkennen konnte, bemerkte Eberhard ihn erst, als er neben ihm stehen blieb. Er las noch, und auch als Ben zu sprechen begann, sah er nicht auf, sondern blätterte langsam um. Das Buch war nicht viel mehr als eine Broschüre mit einem vergilbten weißen Umschlag, in italienischer Sprache, mit Schichten eng gedruckter Fußnoten.
    »Was darf’s sein?«
    »Äh. Viel Hunger hab ich nicht, aber ich muss was essen. Was Nahrhaftes. Was können Sie empfehlen?«
    Er sprach ein undefinierbares, akzentfreies Neugriechisch. Das allein war schon eine Überraschung. In Oxford hatte man Eberhard für seine altsprachlichen Kenntnisse bewundert. Wie andere Dozenten auch schien er wenig Sympathie für das Alltägliche zu hegen, ein schon an Abneigung grenzendes Desinteresse an allem Modernem.
    Als nicht gleich eine Antwort kam, hob er den Kopf, und es war, als flammten in seinen Brillengläsern Blitzlichter auf. Er legte den Kopf schräg, und sie wurden durchsichtig. Sein Gesicht erinnerte Ben an Lorne, den Ägyptologieprofessor, einen Mann, der alle mit wohlwollendem, verwöhntem Unverständnis angesehen hatte, ähnlich einem Kind, das aus einem Auto heraus zuschaut, wie die Fußgänger durch den Schnee hasten. Dann veränderte sich seine Miene, sein Lächeln blieb unbeteiligt, verlor aber das Nichtssagende, und der Kalliope-Blick trat in seine Augen.
    »Das Fleisch ist immer gut.«
    Ben sprach weiter Griechisch und war froh, als Eberhard zögerte. Eberhard hätte Ben lieber nicht erkannt und fragte sich, ob er den Kontakt vermeiden konnte, ob Ben ihn ebenfalls erkannt hatte. Dann schien Bens Gesicht etwas zu verraten, denn Eberhard klappte seine Broschüre zu, nahm seine Lesebrille ab und legte sie in ein verbeultes Metalletui.
    »Du? Was machst du hier?«
    »Ich bediene an deinem Tisch.«
    »Offensichtlich«, sagte Eberhard. »Im Ernst?«
    »Im Ernst.«
    Sauer schwieg, doch sein Blick blieb an Ben haften. Dann steckte er seine Broschüre ein und nahm an Ben vorbei den Gastraum in Augenschein – die nikotinverfärbten Deckenventilatoren, die über Politik streitenden alten Männer, Adamidis, der an der Bar lümmelte –, alles auf einmal.
    »Schade drum. Darfst du dich setzen?«
    Ben schüttelte den Kopf, setzte sich dennoch, schüttelte erneut den Kopf und merkte, dass er anfing zu lachen. »Schon komisch! Ich hätte nie gedacht, dass ich hier jemanden treffe.«
    »Du triffst doch sicher jede Menge Leute. Eher zu viele, denke ich mir.«
    »Du weißt schon, wie ich’s meine.«
    »Ja, das ist wirklich eine Überraschung.« Eberhard lächelte matt, als hätte er es mit einer amüsanten, grotesken oder vielleicht auch geschmacklosen Situation zu tun. »Aber sie ist klein, unsere Welt, und sie wird immer kleiner. Heutzutage gibt’s einfach kein Entkommen mehr. Schade, dass wir uns nicht unter angenehmeren Umständen wiedersehen.«
    »So schlimm ist es auch wieder nicht.«
    »Was hat dich denn hierher verschlagen?«
    »Glück.«
    »Glück nennst du das?«
    »Dann eben

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