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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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das Vergnügen…«
    »Nein, nicht das Lamm. Lakedaimonien.«
    »Es ist… eindrucksvoll. Aber wahrscheinlich nicht jedermanns Sache.«
    Ben setzte sich wieder. Eberhard rückte seinen Stuhl zurecht, als wollte er für sie beide Platz schaffen.
    »Ich war noch nie dort.«
    »Oxford ist ja übertrieben theoretisch, aber in dem Fall haben sie nicht ganz unrecht. Es gibt da nicht viel, was die Reise lohnt. Lakedaimonien hat deine löbliche Neugier nicht verdient, fürchte ich.«
    »Ich hab darüber geschrieben, das ist alles. Lakonien. Sparta. Ein paar Vorträge, eine Menge Artikel. Letztes Jahr hab ich jedenfalls gedacht, ich könnte versuchen, das alles zusammenzuführen und eine Doktorarbeit daraus zu machen…«
    »Besser nicht«, entgegnete Eberhard. »Wenn ich du wäre. Es gibt da so wenig, worüber man schreiben kann, archäologisch gesehen. So wenig ist erhalten geblieben.«
    »Klar, ich weiß. Aber ich liebe es, schon immer. Die Idee jedenfalls. Athen und Rom haben mich nie groß interessiert, aber Sparta, das hatte was… Als Kind und Jugendlicher konnte ich gar nicht genug darüber lesen. Hohles Lakedaimonien.«
    Keine Antwort. Eberhard klappte die Speisekarte zu und sah auf sie hinab, als hätte ihn das Wort »lieben« gekränkt.
    »Im Frühling ist es bestimmt schön dort.«
    »Oh, es ist auch jetzt schön. Und überhaupt immer. Aber leider nennt es heute niemand mehr Lakedaimonien. Nicht mal wir.«
    »Wir?«
    Sauer faltete die Hände auf dem Tisch, die Finger schützend verschränkt. »Die Leute, die dort arbeiten.«
    »Arbeiten? Woran?«
    »An einem kleinen Projekt. Kaum der Rede wert.«
    »Ein Projekt? Du meinst eine Grabung?«
    »Das wäre zu viel gesagt. Wir stöbern nur auf altem Boden herum. Ein bisschen buddeln wir inzwischen auch. Die Erde ist noch kalt, aber das wird besser.«
    »In Sparta ?«
    »Nein, nein. In der Nähe.«
    »Da gibt’s wohl keine…«
    »Nein.«
    »Hm.«
    »Tut mir leid.«
    »Schon gut. Du hast ja recht.«
    »Ach ja?«
    »Die Arbeit würde mir nichts ausmachen. Wenn sich was anderes ergeben würde, so was wie das, was ihr gefunden habt… und jetzt kreuzt du hier auf. Das wäre einfach Glück gewesen, das ist alles.«
    »Ja, nicht wahr?« Eberhard lächelte höflich-mitleidig; dann winkte eines der Büromädchen und wollte bedient werden, aus der Küche pfiff Florent, der die Teller für die beiden Alten gefährlich auf der Schwingtür balancierte, und Ben musste gehen.
     
Er hatte sich dann doch nicht verabschiedet. Als Ben ihm das Essen brachte, hatte Sauer wartend dagesessen, und später hatte Ben ihn, während er hin und her eilte, beim Essen lesen sehen, methodisch, die Hände abgewinkelt auf der Tischplatte, vor sich die aufgeschlagene Broschüre, mit dem Essig- und dem Ölfläschchen beschwert. Dann hatte Modest eine Schüssel mit Fleischabfällen fallen lassen, und bis sie beide die Schweinerei beseitigt hatten, war der Ecktisch leer gewesen. Kassiert hatte Adamidis, wie sich herausstellte. Der Gast habe es eilig gehabt und sei nicht sehr gesprächig gewesen, wie die Engländer manchmal, das sei genetisch bedingt, und bei einem so guten Trinkgeld sei es ja auch egal.
    Sparta … Es gab wenig zu sehen dort, das wusste er; er hatte nie das Geld oder die Zeit gehabt, um dorthin zu reisen, und für seine Forschungen war es auch nie nötig gewesen. Was mochte Eberhard dort suchen? Sparta war nicht Athen. Die Spartaner hatten nichts hinterlassen, was ihre Größe widerspiegelte. Sie waren nur noch Gerüchte von Gerüchten in den Geschichten anderer, der Römer und Ionier, der Makedonier und Athener, und jeder Außenstehende widerlegte seinen Vorgänger – eine mediterrane Gerüchtekette.
    Er fragte sich, wie es wohl wäre, nicht von etwas weg-, sondern zu etwas hinzulaufen. Etwas oder jemanden zu haben, wohin man konnte: ein Ziel zu haben.
    In Oxford hatte er festgestellt, dass sich selbst die gescheitesten Leute lächerlich machen konnten. Er war überzeugt, dass Eberhard ihn belogen hatte, und zwar ziemlich ungeschickt. Es gab Arbeit in Lakonien, und Ben durfte es nicht wissen. Von ihrem Zusammentreffen überrascht, hatte Eberhard die Situation unbeholfen überspielt; oder er war von Haus aus ein schlechter Lügner, ein Mensch, der sich mit der Unwahrheit schwertat.
    Doch wie auch immer – Ben nahm es ihm nicht übel. Er hatte Eberhard nie gut gekannt. Sauer hatte stets unnahbar gewirkt, und dieser Eindruck hatte nicht getrogen. Das gesellschaftliche Leben an der

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