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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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die sich als kurios oder eklig oder irgendwie sogar gefährlich erweisen konnte.
    »Es war weiter, als ich dachte«, sagte er, eine lahme Entschuldigung, an niemand Bestimmten gerichtet, und Missy nahm seinen Arm.
    »Jungs, das ist Ben Mercer, der, von dem ich euch erzählt habe. Er ist auf dem Weg hierherauf auf ein paar Hindernisse gestoßen. Jason, kannst du ihm ein paar trockene Sachen leihen? Ach, Tee! Haben wir noch…«
    »Wir haben ihn heute Morgen ganz ausgetrunken«, sagte das blonde Mädchen, und Missy wandte sich ihr zu.
    »Ach herrje, aber du kannst doch noch welchen machen, Eleschen, oder?«
    »Ja, klar.«
    Ihr Blick – der von Eleschen – blieb auf ihm haften, während sie mit den Schultern zuckte. Sie hatte die Sonnenbrille ins Haar geschoben und sah ihn mit höflicher Neugier an; nicht mehr und nicht herzlicher. Ihr Akzent war irgendwie amerikanisch: Er hatte ein gutturales Schnarren, das er nicht identifizieren konnte. Sie war attraktiv: so schlank und mit so hinreißend blauen Augen, dass alles Übrige an ihr daneben verblasste. Das Licht schien durch sie hindurchzugehen wie durch die Goldbecher aus den Gräbern in Amyklai.
    »Was ist ihm denn passiert?«, fragte hinter ihm eine Stimme auf Englisch, und dann redeten sie alle auf einmal drauflos, stellten Vermutungen über ihn an, als wäre er ein Artefakt von zweifelhafter Herkunft, und ihre Stimmen kamen und gingen so schnell, dass er nicht mehr hinhörte. Neben ihm stand ein Warnschild – VORSICHT! AUSGRABUNGEN! –, und er lehnte sich daran und nahm schon bald nichts anderes mehr wahr als seine Müdigkeit; sein Körper war vom Regen derart schwer geworden, dass es war, als sei er durch und durch mit Wasser gesättigt, nicht nur seine Kleider und seine Haare, sondern auch seine Knochen, sein Blut und seine Organe, die wie Gewichte an ihren angestammten Plätzen hingen.
    »Er hat sich nur ein bisschen verlaufen, das ist alles. Ich weiß nicht, warum er zu Fuß losmarschiert ist, ich hatte ihm gesagt, er soll sich ein Taxi nehmen…«
    »Ist er krank? Er sieht krank aus.«
    »Er sieht doch nicht krank aus, was soll der Quatsch.«
    »Ich finde, er sieht ganz normal aus.«
    »Talis iste meus stupor nil videt, nihil audit…«
    Ein Lachen – von einem Mädchen –, so kühl wie ein Windspiel. Ein Schauder überlief ihn. Als er vorüber war, stellte er fest, dass die Begeisterung der anderen ihn inzwischen langweilte. Er schüttelte den Kopf, wie um sich von ihnen allen zu befreien, und spürte, dass ihm jemand die Hand unters Kinn gelegt hatte. Missy sah ihm fest in die Augen.
    »… Ben?«
    »Mir fehlt nichts«, sagte er gereizt, obwohl seine Zähne jeden Moment wieder zu klappern anfangen konnten. »Lassen Sie mich.«
    »Also gut, okay, bringen wir ihn in die Fundhütte…«
    Eine andere Stimme, gemessen und vertraut. »Nein. In einem der Autos hat er’s wärmer.«
    »Ja, das ist … danke, Eberhard. Jason, könntest du … nein, den anderen Arm. Danke, Max. Jason .«
    »Ja, gut, dann behalten Sie die Unterhosen halt an.«
    »Und könnte jemand mal die Tür… na also!«
    Das dumpfe Knallen der Autotüren. Himmlische Ruhe. Der Geruch von Kunstleder. Er schloss die Augen und ließ die Wärme in sich eindringen. Das Auto war eine Sonnenfalle. Hin und wieder rüttelte der Wind daran, dann schaukelte der Wagen sanft, als wollte er mit ihm aufs Meer hinausfahren.
    Als er die Augen wieder öffnete, war er nicht sicher, ob er geschlafen hatte. Das Tageslicht schien sich nicht verändert zu haben, aber er war beunruhigt, so als wäre er in einer Vorlesung eingeschlafen. Draußen sah er Missy, über ein Handy gebeugt, und hinter ihr zwei von den anderen, das blonde Mädchen – Eleschen – und einen kahl rasierten Mann mit aknenarbigem Gesicht und dem gedrungenen Körperbau eines Ringers, und beide schauten zu den östlichen Bergen hinüber.
    Er hatte sie doch noch gefunden. Wenigstens das sprach für ihn. Er hatte Therapne gefunden, das Sparta der Antike. Dann fiel ihm allmählich wieder ein, wie entwürdigend das alles gewesen war, und er stöhnte laut auf.
    Er saß auf dem Rücksitz eines Kombis, neben und unter sich ein Haufen von Sachen. Ziplock-Beutel, Tupperware, ein zusammengelegtes Sieb. Ein Bündel Kleider, weniger esoterisch und leicht erotisch: ein Paar Jeans, ein weißer BH, ein himmelblaues T-Shirt mit einem Disney-Häschen und einer Botschaft: Das alles, und außerdem ist mein Daddy reich.
    »Vergiss es.«
    Ein Junge saß auf dem

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