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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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Fahrersitz. So reglos, als wäre er plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht, wie ein Kaninchen aus dem Hut. Auch sein Gesicht war kaninchenhaft, fast hasenschartig, obwohl er alles getan hatte, um das zu verbergen. Er trug ein zerknittertes Hawaiihemd, unter dem ein ausgefranstes T-Shirt hervorschaute, eine Taucheruhr und einen Spitzbart, der allerdings neu war und unregelmäßig wuchs, wie bei einem Surf-Freak. Er war gebräunt und verstaubt, so verstaubt, dass man kaum sah, wo die Bräune endete und die Staubschicht anfing. Sein Lächeln war wölfisch und nicht durchweg angenehm, als kenne er einen Witz, den er noch nicht verraten wollte.
    »Was soll ich vergessen?«, fragte er, und der Junge zeigte mit einer Kopfbewegung auf die Kleider.
    »Die gehören Natsuko. Aber mach dir keine Illusionen. Als ich sie zum ersten Mal gesehen hab, hab ich dasselbe gedacht.«
    »Nämlich was?«, fragte er, und der Junge schnaubte verächtlich.
    »Wenn du’s nicht weißt, werd ich’s dir auch nicht sagen.«
    Seinem Akzent nach war er aus London oder einer der zahllosen Trabantenstädte. Irgendetwas an ihm erinnerte Ben an die Straßenmärkte, auf denen sein Vater und seine Onkel arbeiteten. Die Gerissenheit eines Schwarzhändlers; etwas Koboldhaftes. Der Junge drehte sich weg und senkte den Kopf: Ein Feuerzeug klickte, dann hielt er die freie Hand zwischen den Sitzen hoch und atmete den Rauch mit den Silben seines Namens aus.
    »Jason.«
    »Ben.«
    »Ich weiß, Stanton hat uns von dir erzählt«, sagte er und zog an seiner Zigarette. Dabei musterte er Ben mit zusammengekniffenen Augen wie ein Schneider oder ein Boxer.
    »Hoffentlich nur Gutes.«
    »Ja, nur Gutes. Sie ist ziemlich nett.«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Dass wir einen neuen Schaufelaffen kriegen würden. Das hat uns Trottel natürlich alle sehr gefreut, weil mehr Affen weniger Schaufeln bedeuten. Das war übrigens ein toller Einstand.«
    »Ja, echt?«
    Er hörte den Unterton in seiner Stimme und genierte sich. Jasons Grinsen wurde breiter.
    »Aber keine Sorge. Ach, da hinten müsste ein Handtuch liegen. Sie geht fast jeden Morgen schwimmen. Da ist es, schau. Nur zu, sie hat bestimmt nichts dagegen.«
    Das Handtuch hatte noch einen leichten Geruch, kompliziert und nicht unangenehm: Parfüm, Chlor, ein weibliches Aroma. Während er sich damit den Kopf abrubbelte, reichte Jason eine Sporttasche und eine riesige, über und über mit den grünen Kleeblättern der Fußballmannschaft Panathinaikos verzierte Thermosflasche nach hinten.
    »Tee. Hab ihn selbst aufgebrüht. Ich hoffe, du magst ihn mit Zucker. In dem Transporter sind Gummistiefel, falls du dich schon zum Arbeiten in der Lage fühlst.«
    Er öffnete die Tasche. Ein gebatiktes T-Shirt mit der Silhouette von Indiana Jones und einem weiteren Slogan, HERR DER SPATEN, ein knalliges, orangefarbenes Fred-Perry-Sweatshirt, eine Hose aus Armeebeständen, zwei Paar Socken, ein Paisley-Taschentuch. Jasons abgeworfene Haut.
    »Mütze hab ich keine gefunden, aber das Taschentuch tut’s auch. Weiser Schaufelaffe Nummer fünf sagen, geh nie graben ohne Taschentuch auf Kopf. Es ist völlig sauber«, fügte er hinzu, als wäre er ein Verkäufer und Sauberkeit eine beileibe nicht selbstverständliche Vergünstigung.
    »Danke.«
    »Regenhaut hab ich auch keine für dich gefunden. Hast du eine dabei? Nein, hast du nicht. Mist. Du hast das noch nicht oft gemacht, oder?«
    »Nein, nicht oft.«
    »Es ist das erste Mal?«
    »Nicht ganz«, sagte er leicht pikiert und fing an sich umzuziehen. Sein Körper fühlte sich genauso feucht und schmuddelig an wie seine Sachen. Er spürte, dass Jason ihn immer noch beobachtete, als sei er zu seinem Vergnügen angefordert worden.
    »Du kennst Eb?«
    »Eberhard? Ja, schon.«
    »Die Welt ist klein. Befreundet?«
    »Ja, ziemlich.«
    »Ach ja?«
    »Warum fragst du, wenn du’s besser weißt?«
    Ihre Blicke trafen sich über die Sitze hinweg. In Jasons Augen war eigentlich keine Aggressivität, nur spöttische Feindseligkeit. Nur zu , sagten seine Augen. Verdirb dir’s mit mir. Dann gibt’s was zu lachen! Ha, ha!
    »Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als Stanton uns gesagt hat, dass du kommst.«
    Er beschäftigte sich schweigend mit den Kleidern, zimperlich und verdrossen, und wartete auf das Unvermeidliche: dass Jason wieder anfing.
    »Also, was steckt dahinter?«
    »Nichts steckt dahinter.«
    »Ach was. Du kennst uns nicht, du hast keine Kumpels hier,
    und du hast keine Ahnung vom Graben. Was hat

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