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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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einem Delinquenten vor, sich die Haare schneiden zu lassen.
    »Regnet es viel hier, im Winter?«
    »Hast du das gehört, Marina? Was sagt man dazu? Regnet es viel im Winter?«
    Leises Lachen, ein maskulines Glucksen. »Es regnet die ganze Zeit«, sagte Sudoku. »Im Winter.«
    Er ging auf sein Zimmer, um zu warten. Seine Sachen waren nass, und er hängte sie auf, kroch wieder ins Bett, um sich aufzuwärmen, und setzte seine Aufzeichnungen fort. Draußen ratterte ein Bohrhammer los, und er schaltete den Fernseher ein, um ihn zu übertönen – ein alter Film, dazwischen Werbung von ortsansässigen Geschäften. Dachdeckerei Mystras, Betten Aspis, die Limonadenfabrik Spartina. Der Predator bückte sich über Arnie, scheußlich, mit Dreadlocks, monströs.
    Irgendwann musste er eingedöst sein: Als er aufwachte, war es schon Nachmittag. Er stand benommen auf, sabbernd und desorientiert, sauer auf sich selbst und über den vertrödelten Vormittag. Seine Sachen waren noch nicht trocken, aber er hatte sonst nichts auch nur halbwegs Sauberes, deshalb zog er sie achselzuckend an und ging wieder hinunter auf die Straße.
    Der Himmel war gleichmäßig grau. An einem Kiosk unter den Dattelpalmen kaufte er sich einen Regenschirm und bat um eine Wegbeschreibung. Fischer hatte gesagt, die Cyriac-Grabung sei nicht weit von den größeren Ausgrabungsstätten entfernt, und davon gab es in Sparta nicht viele. Er konnte schon die Akropolis sehen, die gegen Athen nicht viel hermachte.
    Der Händler kam aus seinem Kiosk. Unten am Fluss, bitteschön, würde er ans Heiligtum der Artemis Orthia kommen. Am anderen Ufer und oben in den Hügeln – die erste gute Straße nach Afision hinauf – würde er das Menelaion finden … Aber es sei weit bis dorthin, meinte der Händler, und außerdem gebe es dort nichts als Steine, alte Steine.
    »Kommen Sie lieber im Sommer«, sagte er und gab Ben einen roten Regenschirm.
    Er ging nach Norden. Die Straßen wichen einem Fußballplatz, und dann kamen Olivenhaine, Quecken und Wiesenblumen, Hühner unter Bäumen. Es wäre gar nicht so schlecht, dachte er, auf diese Weise den Ausgrabungsort zu finden; sich als fähig und willig zu erweisen. Er kam an einer Ruine mit vielen Bikerspuren vorbei, dann überholte er zwei schmuddelige, streitende Touristinnen, die bergan keuchten, französische Mädchen oder vielleicht Belgierinnen, mit Schlapphüten und karierten Shorts.
    Auf dem Gipfel blieb er stehen, um zu verschnaufen. Es roch nach Kiefern und Holzrauch. Von den Archäologen keine Spur, aber sie erschienen ihm schon fern, während Sparta unmittelbar und überraschend war, beglückend und vertraut aus den Tausenden von Seiten, die er gelesen hatte. Wie dumm, dass er nicht schon früher einmal hierher gekommen war.
    Er würde trotzdem weiter versuchen, sie zu finden. Nur, um es ihnen zu zeigen. Es gab nicht viele andere Orte, an denen er nachsehen konnte. Er würde zum Menelaion gehen, solange das Wetter sich noch hielt, und auf dem Rückweg beim Heiligtum der Artemis Orthia vorbei. Und wenn er sie bis dahin nicht gefunden hatte, tja, dann konnten sie wenigstens nicht sagen, er habe es nicht versucht.
    Die Mädchen hatten das Theater unten erreicht. Die eine fing an zu tanzen, und die andere filmte sie mit einem Handy. Das verfallene Halbrund trug bestimmungsgemäß ihr Lachen nach oben. Die Mädchen setzten sich auf die Reste der Bühne und redeten leise miteinander. Als sie anfingen sich zu küssen, schaute er weg.
    Ein Pferd wieherte in den Olivenhainen. Dahinter erstreckte sich bloßgelegt Sparta. Schlichte Gebäude, weiß wie Salz.
    Er machte sich auf den Weg zum Fluss hinunter. Er hörte die Landstraße, bevor er sie erreichte. Die Gebäude ringsum waren ausgeweidet und verlassen – die Stadt franste an den Rändern aus. Schwertlilien wuchsen in den Ruinen. Jemand rief aus einer Tür nach ihm. Eine alte Frau lehnte dort, an einem gegabelten Stock, der höher war als sie selbst. Weiße Zähne und dunkle Haut; weiß-und-dunkle Augen. Eine Zigeunerin, wurde ihm klar, und er fragte sich, wieso er das erkannt hatte. Sie schwenkte etwas in seine Richtung – im Vorbeigehen sah er irgendwelches Glitzerzeug aufblitzen –, und er schüttelte den Kopf und ging weiter.
    Er kam an die Brücke vor der Stadt, der Fluss war vom Regen angeschwollen. Er überquerte sie, ging auf der Straße weiter und wich den tiefsten Furchen aus, während Tanklaster an ihm vorbeidonnerten.
    Er war daran gewöhnt, zu Fuß zu gehen, und

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