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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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saß: weder besonders freundlich noch feindselig. Ben sah einen Muskelreflex in der flachen Wange des Mannes – es wirkte, als ob sich dort ein Parasit eingenistet hätte.
    »… heute erst mal nur leichte Hausarbeit«, sagte Missy gerade und hielt sich mit einer Hand die Haare aus dem Gesicht. »Es hat keinen Zweck, einen toten Hund zu prügeln. Ich mache dann morgen den großen Rundgang mit Ihnen, aber eigentlich sehen Sie auch jetzt schon, was Ihnen bevorsteht. Wir sind zweimal in der Nähe vom Nordhügel auf Gold gestoßen, und ebenso unter dem Heiligtum. Der Schädelraum ist das wirklich interessante Feld, aber den überlassen wir besser Max, der wird grätig, wenn ich mich einmische … Also setzen wir Sie am besten bei der Herdgrube ein. Sind Sie immer noch nicht fertig? Wo ist das Problem, haben Sie zwei linke Füße? Jetzt kommen Sie schon.«
    Wie sich zeigte, konnte der Rundgang doch nicht aufgeschoben werden. Als Missy einmal begonnen hatte, ihm den Grabungsplatz zu zeigen, fand sie kein Ende mehr. Er trottete hinter ihr her, nickte denen zu, die sie bei der Arbeit störten, nickte zu Missys Erläuterungen, und eins führte unerbittlich zum anderen, so dass die Schönheit des Geländes in Einzelheiten unterging.
    Eberhards Lüge war faustdick gewesen: Überall waren Ausgrabungen im Gange. Jede Erhebung war rings von Minenfeldern aus faustgroßen Probelöchern umgeben, wo das Magnetometer ein Signal empfangen hatte und der Spaten dann einen Benzinkanister oder eine Rolle verrosteten Draht ans Tageslicht beförderte. Im Augenblick wurde in sechs Gruben gearbeitet – zwei waren praktisch gerade erst abgesteckt worden, vier reichten schon tiefer hinab. Er stand im Wind frierend neben Missy, während sie die Tonscherben durchging, die an der Fundhütte ausgelegt waren; drinnen lag ein zerbrochener Kantharos, so massiv und bleich wie ein Pferdeschädel.
    »Und hier sind zwei Spartaner, die wir mit noch schlagenden Herzen gefunden haben! Hallo, Jungs. Chrystos, das ist Ben, er gehört heute Nachmittag euch. Aber triezt ihn nicht, er ist noch ein bisschen mitgenommen, okay?«
    Die letzten paar Stunden dieses ersten Nachmittags arbeitete er mit den Maxis-Brüdern bei der Herdgrube. Die Griechen gruben am Boden der Grube, Chrystos mit einem Grabenspaten am Südende, Giorgios mit Pinsel und Spatel auf der Nordseite. Jeder Eimer mit Erde wurde weitergereicht, um durch mittelfeines Drahtgeflecht gesiebt zu werden. Anfangs waren die Lasten überhaupt nicht schwer. Erst nach und nach setzten die Muskelschmerzen ein.
    Chrystos teilte ihn zum Sieben ein. Er kannte sich nicht gut genug aus, um ihm dankbar dafür zu sein. Er saß in dem von Ziegen abgefressenen Gras, ärgerte sich über die Feuchtigkeit, weil ihm die Kälte des Fußmarsches noch in den Knochen steckte, und spähte zu den Männern hinunter. Max’ Schädelraum war das breiteste Loch, und selbst die flachste Terrasse der Osthalde war tiefer, aber die Herdgrube war das größte, schmal und dunkel, und verbreiterte sich nach Norden zu wie ein zyklopisches Schlüsselloch. In gut einem Meter Tiefe war an diesem Ende unter dem sandigen Mutterboden und der darunterliegenden Lehmschicht ein riesiger Kreis aus Herdsteinen zum Vorschein gekommen, aber südlich davon war in dieser Tiefe nichts, und darunter kamen nur viele uralte Ascheschichten, ein düsterer Hinweis auf wiederholte Katastrophen in unterschiedlichen Tiefen.
    Die Brüder sprachen untereinander wenig und mit ihm noch weniger. Er saß da und horchte auf ihren Husten und ihren stoßweise seufzenden Atem, während sie arbeiteten. Das Keuchen in der staubigen Luft. Einmal winkte ihn Giorgios hinunter, damit er ihm die Taschenlampe hielt, während er mit dem Pinsel ein implodiertes Nest zerbrochener Keramik freilegte. Die Wärme überraschte ihn. Der Regen war kalt gewesen, und der Boden auf diesem Hügel war noch hart vom Winter, aber in der Grube war es so schwül, dass sie ins Schwitzen gerieten. Die letzten Sonnenstrahlen fielen schräg über den schlammigen Grubenrand, und durch ihre Arbeit heizte sich die eingeschlossene Märzluft zusätzlich auf.
    Sie arbeiteten weiter, bis das Tageslicht allmählich schwand, und machten um sechs Feierabend. Erst dann brachten die beiden Griechen mehr zustande als ein paar gemurmelte Anweisungen an ihn. Chrystos reichte ihm als Erster die Hand. Sein Händedruck war hart und kühl wie Knochen, sein Gesicht mit Staub verkrustet, von Staub durchdrungen, als hätte Missy

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