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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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nicht gescherzt, als wäre er tatsächlich gerade erst ausgegraben worden.
    »Willkommen«, sagte er feierlich, und irgendwo in der Abenddämmerung fingen die Glöckchen der Ziegen an zu läuten.
    Die Brüder nahmen ihn in die Stadt mit, der Transporter fuhr den anderen Autos voraus, die Straße des Schirmverkäufers hinunter. Soweit er feststellen konnte, hatten sie trotz all der vielen Arbeit bei der Herdgrube nichts gefunden außer den paar Scherben und einer weiteren Ascheschicht, doch offenbar waren sie dennoch nicht mutlos. Abgesehen von dem Angebot, ihn am Morgen abzuholen, sprachen sie nur miteinander, so als wäre er gar nicht vorhanden. Trotzdem, unsichtbar inmitten von beinahe Fremden, war er zufrieden.
    Mehr noch. Als sie unter den Straßenlaternen der Palaeologou abwärts fuhren, spürte er, wie ihn eine unerklärliche Begeisterung erfasste. Erst Tage später begriff er es als ein Gefühl der Ankunft. Des Wissens, dass er doch keinen Fehler gemacht hatte. Dass seine Wochen in Athen nicht umsonst gewesen waren. Dass er endlich an einem Ort angekommen war, wo er vielleicht hingehörte.
    Es war ein klarer Abend, die Wolken hatten abgeregnet. Nachdem Chrystos ihn abgesetzt hatte, trödelte er noch auf der Hoteltreppe herum, trotz allem zögerlich, den Tag zu beenden, seine Sachen als übelriechendes Bündel unter dem Arm, das Licht aus der Lobby auf ihm.
    Sternbilder gingen über den schwarzen Bergen auf, abstrakte und vertraute Konfigurationen, Superstrings aus Sternen. Er versuchte immer noch, sich an ihre Namen zu erinnern, als hinter ihm ein Auto hupte; er drehte sich um und sah mit einem flauen Gefühl Missy, die ihm winkte und sich am Fenster zu schaffen machte.
    »Hallo!«
    »Hallo.«
    »Haben Sie Lust, einen Happen zu essen? Ich nehme an, Sie sind müde, aber ich hab mir gedacht, ich frage trotzdem …«
    »Ich bin ganz schön müde«, sagte er und bereute es, noch bevor ihr das Lächeln verging.
    »War nur so eine Idee.« Sie zuckte die Achseln. »Und ein bisschen Gesellschaft wäre auch nicht schlecht.«
    »Und die anderen?«
    »Die anderen. Machen Sie Witze?«
    Sie wirkte jetzt jünger: Sie war nicht viel älter als er. Es war, als stattete die Ausgrabung sie mit einer Autorität aus, die sie oben zwischen den Gruben und Ruinen zurückgelassen hatte. Ihre Augen waren dunkel in der Düsternis des Autos. Von jeder Überschwänglichkeit befreit, war ihre Stimme weich und ernst.
    »Mit denen unternehme ich eigentlich nichts.«
    »Aha. Na gut, wenn es Ihnen nichts ausmacht zu warten, geh ich nur schnell…«
    »Nein, vergessen Sie’s, war eine Schnapsidee. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, Sie müssen doch hundemüde sein.«
    »Nein, ich komme mit.«
    Ihr Lächeln kehrte zurück. »Im Ernst?«
    »Ja, mit Vergnügen.«
    »Super. Also springen Sie rein, Cowboy.«
    Er joggte um den Wagen herum zur Beifahrertür. Das Auto fuhr schon los, als er noch gar nicht richtig saß, und während er die Tür schloss, beschleunigte Missy bereits und fädelte sich in den Feierabendverkehr ein. Sie fuhr schnell und schlecht, der SUV trügerisch in seiner Solidität, ein Panzer aus Stahl und Glas zwischen ihnen und den Lichtern, denen sie auswichen, den Lastern, die sie überholten, wobei Missy manchmal entschuldigend die Hand hob.
    »Wohin fahren wir?« »In irgendein Lokal, wo das Essen gut aussieht. Sie müssen bei Kräften bleiben.«
    »Wieder zu Kräften kommen.«
    »Armer Ben. Es wird leichter werden. Aber Sie müssen auf sich aufpassen. Das mit dem Marsch im Regen, das haben Sie sich ganz allein selbst zuzuschreiben. Meine Hunde zu Hause haben mehr gesunden Menschenverstand… Moment, vielleicht hier! Schauen wir mal! Ich verspreche, es wird besser sein als Ihr Zimmerservice.«
    Erst mit dem vierten Restaurant war Missy zufrieden. Es war noch zu früh fürs Abendessen, die Tavernen waren noch für die Dauer der Fastenzeit oder bis zum Sommer geschlossen, die Hotels nicht ihre Preisklasse. Billigere Etablissements gab es am Stadtplatz, Grillrestaurants, die heruntergekommener waren als das in Metamorphosis, ein paar Cafés und Kneipen. In manchen verstummten die Gespräche, als sie hereinkamen, und nur unwillig zeigte man ihnen die Gerichte. In dem, das dann Gnade vor Missys Augen fand, wurde sie von alten Männern begrüßt, Ben mit Fragen auf Griechisch und Deutsch – Woher kommen Sie? Wie heißen Sie? – , dann mit spendierten Getränken; die Bauern und Fabrikarbeiter schlugen mit der flachen

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