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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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Märkte, die ruppige Kumpanei der Männer und Jungs dort. Aber alle zusammen erinnerten sie ihn an die Beziehungen der Kindheit. Die seltsamen Bündnisse, die unwahrscheinlichen Bindungen. Die Regeln und Verhöre auf dem Schulhof. Fragen, auf die es keine richtigen Antworten gab. Welche Fußballmannschaft, welche Fernsehsendung, welches Viertel. Freund oder Feind?
    »Ich hab nicht drüber nachgedacht«, sagte er, und Jason beugte sich über den Tisch und ließ die rote Sitzbank obszön knarren.
    »Jetzt zier dich nicht so. Sei nicht albern. Du bist nicht schwul, also ist es entweder die eine oder die andere. Natsuko oder El. Oder die Stanton. Dir traue ich alles zu.«
    Er zog den Ring vom Finger, steckte ihn ein. Er hätte ihn längst loswerden müssen. Ihn verkaufen. Aber Sparta war zu klein. Irgendjemand würde in kürzester Zeit davon hören. Er erinnerte sich an die Zigeunerin in der Tür des baufälligen Hauses, an dem Tag, als er im Regen nach Therapne gegangen war, und dann dachte er an Elias und Themeus. Soviel er wusste, gehörten sie zu derselben Familie. Was hatte Chrystos gesagt?
    Sie kennen jeden.
    Natürlich. Hier kennt jeder jeden.
    »Das geht dich nichts an«, sagte er zu Jason. »Du bist schüchtern, hab ich recht? Hör zu, ich verrate dir was, kostenlos. Natsuko steht auf dich. Ein Gesicht wie ein Shitsu und ein himmlischer Arsch. Sie hat Bock auf dich.«
    »Woher willst du das denn wissen?«
    »Diese T-Shirts. Das alles, und außerdem ist mein Daddy reich. Also Geld hat sie auch. Haben die ja alle, oder?«
    »Wer?«
    »Die Japsen.«
    »Sie sieht nicht aus wie ein Shitsu.«
    »Ach nein?«, fragte Jason leise, und dann stand Eleschen neben ihnen, hochgewachsen wie eine Walküre, das nasse Haar zu Strängen gedreht, das Gesicht vor Triumph strahlend.
    »Du lieber Gott, ich musste Flüsse durchqueren, um hierher zu gelangen!«
    »Regnet es schon wieder?«
    »Wie zu Noahs Zeiten. Wer trinkt was?«
    »Ich glaube, die machen gleich dicht.«
    »Blödsinn! Wo ist Oddjob? Da ist er ja. Er wird dafür bezahlt, er bleibt die ganze Nacht da. Auf den Jungen ist Verlass, das muss man ihm lassen. Für mich einen Sieben-Sterne-Metaxa. Ben?«, fragte sie, und er wollte dasselbe.
     
Missy rief nach ihnen. Es war ein schöner Tag, der Wind leicht und lautlos, und ihre Stimme trug ihre Besorgnis klar und deutlich über die Anhöhen.
    Als sie hinkamen, kniete sie an einer Reihe Kalabrischer Kiefern, östlich der Elias-Kapelle, wo der Bergrücken zu einem Hirtenpfad hin abfiel. Es war eine abgelegene Stelle, seitab und unterhalb der Höhen von Therapne. Sie war dorthin gegangen, um nach neuen Fundstellen zu suchen, doch statt auf oberirdische Senken oder Buckel oder auf Vegetationslinien, die unterirdische Ruinen hätten anzeigen können, war sie auf frisch umgegrabene Erde gestoßen. Eine kleine Störung am Waldrand, der harzige Boden unter den Kiefern umgestochen und bloßgelegt.
    Diesmal gruben sie weniger vorsichtig, weil sie schon wussten, was sie finden würden – nicht Gold oder Bronze, sondern Fleisch und Knochen – oder zumindest wussten, welcher Art es sein würde. Trotzdem war es ein Schock, als sie sahen, was es war, als der erste Flügel sich entfaltete.
    »Eine Elster«, sagte Ben, und hinter ihm wiederholte jemand den Namen auf Griechisch; und jemand anderer stieß einen wortlosen Ruf aus, als hätten sie nicht einen Kadaver gefunden, sondern einen vergrabenen Schatz. Helena persönlich.
    »Eine bedeutet Sorge«, sagte Eberhard, und seine Stimme klang überrascht, als Missy ihre Klinge drehte. Die Federn des Vogels waren makellos, die Flügel grünlich-schwarz und weiß, glänzend wie Elfenbein und Obsidian.
    Das Licht war gut an diesem Abend, und sie arbeiteten länger als sonst. Danach stieg er zum Nordhügel hinauf und schaute zum Parnon hinüber. Das Abendrot kroch an den Bergen hoch, doch hier und da waren vor ihm dunkle Flecken. Von seinem Standort aus sahen sie alle wie Höhlen aus, aber bei den meisten handelte es sich wohl um Spalten oder Klüfte. Anscheinend gab es Tausende davon.
    Da oben gibt’s Höhlen, das glaubst du nicht.
    Fast erwartete er, sie zu hören. Die Goldschakale. Ihr Heulen müsste dem von Wölfen ähneln, dachte er, obwohl er noch nie Wölfe hatte heulen hören, nicht in der Natur. Es würde so ähnlich sein, aber höher, weniger verwurzelt. Ätherischer.
    Nichts. Nur das Meckern und Glöckchengeläut der Ziegen und das Keuchen von jemandem, der zu ihm heraufstieg. Er

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