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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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schaute sich um, und da kam Missy, die Hände in den Taschen, eine Thermosflasche unter dem Arm.
    »Hey! Wie geht’s? Kaffee gefällig?«, fragte sie und reichte ihm die Flasche. »Wir haben uns schon länger nicht mehr gesehen.«
    »Immer nur Arbeit und kein Vergnügen«, sagte er und erntete ein Lachen – unverdient, wie er fand.
    »Sieht so aus, als ob Sie sich prächtig einfügen.«
    »Ach ja?«
    »Sicher. Sie machen sich gut. Und die anderen mögen Sie, denke ich. Sie kommen bestens zurecht. Aber was meinen Sie? Sind sie da oben?«
    Er zuckte fröstelnd die Achseln. Mit dem Sonnenuntergang wurde es kälter, und der Wind frischte auf.
    »Makaber, wie die ihre Beutetiere verbuddeln…«
    Sie drehten sich beide um, als hinter ihnen ein Feuerzeug klickte. Jason trottete zu ihnen hin. Sein Gesicht wirkte verschlagen im Glimmen einer Zigarette.
    »Jason, musst du andauernd rauchen?«
    »Ist doch bloß eine Kippe.«
    »Das ist ungesund.«
    »Ich tu’s aus Nächstenliebe. Krebsforschung. Gesponserter Rauch.«
    »Das ist nicht witzig. Außerdem stinken die wie die Pest.« Ein klagender Unterton hatte sich in ihre Stimme geschlichen. Damit glich sie weniger der Frau, die er nun kannte, als der Stimme, die er vor seiner Ankunft am Telefon gehört hatte. Ich sage allen, sie sollen mich Missy nennen, aber keiner macht es.
    Er sah, wie Jason seitlich etwas näher an sie heranrückte, wie eine Katze, die jemanden mit einer Allergie gefunden hat. »Made in America, schau. Du bist doch ein Carolina-Girl, stimmt’s? Tabakland, oder? Es ist deine nachbarliche Pflicht, mich zu sponsern.«
    Er spürte Missys Unmut.
    »Warst du nicht im Schädelraum?«
    »Ja, und?«
    »Wenn du wirklich dort warst, hast du vergessen, eine Plane über Laco zu breiten. Hab ich dir das nicht schon einmal gesagt? Du bist da unten der Verantwortliche, Jason. Max mag ein Genie sein, aber er hat nicht deine Erfahrung. Wenn es heute Nacht regnet …«
    »Es wird nicht regnen, das sieht doch ein Blinder. Außerdem haben wir die Plane ausgebreitet.«
    »Komisch – vor zwei Minuten war sie noch nicht da …«
    »Schon gut, schon gut.« Jason steckte sich die Zigarette in den Mund, und sein gewohnheitsmäßiges Grinsen verwandelte sich in eine Grimasse.
    »Und beschwer sie!«, rief Missy ihm nach, aber er war schon weg, entfernte sich in westlicher Richtung, eine schlaksige Silhouette, an deren Hemdzipfeln der Wind zerrte. Missy sackte ein Stückchen in sich zusammen und stieß zischend die Luft aus: Yess.
    Eine Weile standen sie nebeneinander. Ben empfand das Schweigen als eher unbehaglich, aber Missy schien es nicht zu bemerken. Er schaute zurück und sah Jason noch in der Ferne, unter den kahlen Ruinen des Menelaions. Er gestikulierte aufgebracht mit einem Arm.
    Er schraubte die Thermosflasche auf, goss einen Becher griechischen Kaffee ein – er roch die Süße in der kalten Luft – und hielt ihn Missy hin.
    »Wollten Sie welchen?« Sie nahm den Becher. »Sie können ihn nicht leiden.«
    Er sagte es nur, um überhaupt etwas zu sagen, aber als Missy sich zu ihm umdrehte und ihn musterte, war es, als hätte sie seine Gegenwart vergessen und wäre gekränkt darüber, dass er noch da war.
    »Wie bitte?«
    »Jason. Entschuldigung. Ich habe den Eindruck, Sie mögen ihn nicht besonders.«
    »Hören Sie auf, sich zu entschuldigen, ja? Mein Gott.«
    »Ich hab gemeint…«, setzte er an, dann zwang er sich, nicht weiterzureden. Aus Missys Rachen drang ein Geräusch, ein Mittelding zwischen Lachen und Stöhnen. Nach einer Weile gab sie ihm den Kaffeebecher zurück. Er schüttete die letzten Tropfen weg, fuhr mit dem Daumen um den Rand und schraubte ihn wieder auf.
    »Sie liegen falsch«, sagte Missy. »Völlig falsch. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
    »So hab ich’s nicht gemeint.«
    »Wir sind ja nicht hier, um uns alle ganz lieb zu haben. Das ist kein Strandurlaub. Cyriac will Resultate sehen. Mir ist es egal, was die anderen von mir denken, solange sie nur graben.«
    Sie sprach mit Vehemenz, aber immer noch in dem quengeligen Ton. Das verwunderte ihn, dieser eigenartige Widerstreit von Selbstsicherheit und Zweifel.
    »Warum sollten die Sie denn nicht mögen?«, sagte er vorsichtig, um nicht schon wieder etwas Falsches von sich zu geben. Er wollte keine zusätzliche Bedeutung in die Frage legen und war deshalb überrascht, als sie sich umdrehte und ihn ansah, ihr Gesicht in der Abenddämmerung weich und unbestimmt.
    »Ich danke Ihnen,

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