Verborgen
ihnen rufen, als Natsuko losging, bergauf Richtung Nordhügel. Er folgte ihr und sah die anderen warten – alle vier so farb- und bewegungslos wie Steinsäulen.
Der Wind blies aus Osten, und er fragte sich, ob das gut war. Max und Jason hatten sich beide eine Zigarette angezündet und trugen jeder eine Flinte. Die anderen Waffen lagen zu Eleschens Füßen, und Sylvia hatte sich daneben ausgestreckt. Max und Jason schauten nach Norden, Eleschen und Eberhard nach Osten. Keiner sagte etwas.
Eine Minute verging. Eberhard setzte sich. Die Hündin schaute ihn an und gähnte raubtierhaft.
»Wonach halten wir Ausschau?«, frage Ben schließlich, und Max drehte sich zu ihm um, das Gesicht mondgrau, und seine Reflektoren leuchteten auf, als trüge er eine Rüstung. Eleschen antwortete ihm mit leiser, angestrengter Stimme.
»Wir schauen nicht, Ben. Wir horchen. Die Schakale heulen den Mond an. Deswegen haben wir diese Nacht ausgewählt. Das wird uns beim Jagen helfen. Uns und denen. Wenn sie ein Beutetier reißen, heulen sie wieder. Besser für uns. Hilft uns beiden, der Mond. Max war am Wochenende schon mal hier oben. Er sagt, sie können nicht weit sein. Wir müssen nur warten.«
»Und horchen«, sagte Max leise.
Stille. Ein Glimmen. Jason ließ seine Zigarette fallen und zertrat sie.
»Schöne klare Nacht«, flüsterte er, und als niemand antwortete: »Aber auch still.«
»Nicht, wenn du dabei bist, nein, ganz und gar nicht.« »Es ist Dienstag«, sagte Eberhard leise. »Bei manchen galt er als Unglückstag, seit Byzanz an die Osmanen fiel. Die meisten sind ja nicht so abergläubisch, aber Jäger gehen lieber keine Risiken ein. Niemand will schließlich …«
»Ruhe! Bitte!«
Es ging auf Mitternacht. Der Mond stieg noch, segelte durch Wolkengischt. Ben hockte sich abwechselnd hin und stand wieder auf, weil die Kälte ihm in die Gelenke kroch.
»Wie lange warten wir?«
»Schon müde, Jason?«
»Ich frag nur.«
»Du redest zu viel.«
»Weil er nervös ist.«
»Nein, ich langweile mich nur. Ich glaube, ich brüte was aus.«
Eleschens Lachen aus dem Dunkeln. »Du bist ein solcher Hypochonder.«
»Besser Hypo als Klepto!«
Eberhard drehte sein Eulengesicht. »Wenigstens weißt du, dass du recht behalten wirst. Das ist bei Hypochondern immer so.«
»Sehr witzig. Ihr hättet besser eine Kanne Tee mitnehmen sollen statt der ganzen blöden Ausrüstung. Ich geh mal pinkeln. «
Bens Augen gewöhnten sich immer noch an die Dunkelheit. Er sah jetzt die Ausgrabungen, die sie wie Fallgruben umgaben, als sei der Hügel gegen einen nächtlichen Überfall befestigt worden. Auch sein Gehörsinn schärfte sich. Er hörte den Verkehr in der Stadt, einen Laster, der an der Nordbrücke herunterschaltete, bellende Hunde Richtung Afision. Und dann, mit unheimlicher Deutlichkeit, das Plätschern von Urin, das leise, klägliche Geräusch, als Jason einen fahren ließ, und Natsukos vom Handschuh gedämpftes Kichern.
Max war ein Stück nach Osten gegangen, aus Groll gegen die anderen. Eberhard rührte sich nicht, die Arme auf den Knien, das Kinn in die Hände gestützt. Der Wind frischte auf und spielte mit seinen letzten schütteren Haarsträhnen.
Er sah Natsuko an. Ihr dunkles Haar hatte eine weiße Patina. Er rückte seitwärts an sie heran. Sie sah ihm nicht entgegen, schmiegte aber ihr Gesicht in seine Jacke, als er nahe genug war, schob verstohlen den Arm durch seinen, führte seine Hand in ihre Tasche.
»Wieso ist dir so warm?«
»Das bin nicht ich. Das sind die Handwärmer. Hier: Zauberei. «
Er schloss die Augen, während sie seine Finger zu der chemischen Wärme führte. Er war so durchgefroren, dass er spürte, wie die Wärme an seinen Fingergelenken zum Handballen und weiter in die Unterarmknochen hochstieg.
»Ben?«
Eleschen hielt ihm ein Gewehr hin. Die Läufe schwankten zu nahe vor seinem Gesicht, die Mündungen bildeten eine dunkle Acht. Zwei hohle schwarze Unendlichkeiten.
»Jetzt haben wir nicht mehr genug für alle. Dich hatten wir nicht eingeplant. Aber Eberhard meint, du sollst eins kriegen.«
Er nickte, nahm das Gewehr. »Ist es geladen?«
»Nein, das machen wir erst, wenn wir sie hören. Hat keine Eile.«
Er presste die Lippen wieder fest aufeinander, damit seine Zähne aufhörten zu klappern. Eleschen redete weiter, halb verträumt, halb neidisch.
»Eberhard sagt, du kannst richtig gut schießen. Ich hab’s damit nie weit gebracht.«
»Was machst du dann?«
»Auf Sylvia aufpassen. Das ist
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