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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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Vorratsgefäße gestoßen war. Wenn es Mittag wurde, aßen sie schweigend, schauten hin und wieder zu den höheren Hügeln und den Bergen dahinter auf, hielten dann gemeinsam ein Nickerchen im Schutz der Autos – Eleschens Kopf auf seiner Schulter, Max’ Atem donnernd in seinem Ohr –, und wachten von Missys Weckruf auf, die Hände von der Arbeit gerötet, die Schultern schmerzend.
    Bei Sonnenuntergang fuhren sie hinunter. Der Abend war immer noch klar und kalt, die Wärme des Tages mit dem Licht verschwunden. Sie hatten verabredet, sich um zehn zu treffen, und er fuhr ins Hotel, um sich umzuziehen und bei der Gelegenheit zu duschen, rieb sich Seife in Kopf- und Barthaar. Er sagte unten Bescheid, dass er um neun geweckt werden wollte, stellte seinen Reisewecker auf dieselbe Zeit, stellte dann fest, dass er zu überdreht war, um zu schlafen, und bestellte sich – welcher Luxus! – Abendessen aufs Zimmer. Er aß Kotelett mit Reis und Frühlingsgemüse an seinem Schreibtisch, umgeben von seinen Papieren und Büchern.
    Trotz aller Vorkehrungen brach er zu spät auf. Der Mond stieg gerade hinter den Bergen hoch, als er sich fast im Laufschritt unter den Orangenbäumen und durch die langen Schatten der Kolonnaden bewegte. Die anderen waren alle schon vor ihm bei den Mädchen.
    »Wurde auch Zeit«, sagte Eleschen an der Tür mit unnötig strenger Stimme. Er spürte die Spannung, als sie vor ihm die Treppe hinaufstieg, und merkte, wie selten es war, sie alle zusammen so nervös zu sehen. Nur Eberhard behielt die Ruhe und verteilte auf dem Fußboden sechserlei Utensilien – Taschenlampen und Ferngläser, Reflektorstreifen und Pfeifen, Jagdmesser und Schrotmunition –, während Max zwischen dem Kamin und den hohen Fenstern auf und ab ging und Natsuko Sylvia in den Armen hielt, das Gesicht der Hündin kummervoll und wach, ein zerkauter Converse-Sneaker knapp außerhalb ihrer Reichweite.
    »Sie will mit.«
    »Will sie immer.«
    »Sie kann riechen. Sie könnte bei der Jagd helfen.«
    »Sie ist nicht abgerichtet.«
    »Die gehen hier doch alle auf die Jagd. Vielleicht wurde sie …«
    »Sie ist zu klein. Sie könnte verletzt werden. Schakale sind aggressiv, wie Wölfe. Ein Wolf könnte sie zermalmen wie Hühnerknochen …«
    »Aber das wisst ihr doch alles nicht. Bitte! Eleschen?«
    »Hm?«
    »Ist Sylvia eine Jagdhündin?«
    »Ja, das weißt du doch, aber das heißt nicht …«
    »Sie darf nicht mit.«
    »Max, das ist nicht fair, dass du immer alles entscheidest«, sagte sie, plötzlich selbst wie ein wildes Tier, aufsässig vor Wut, und Jason lachte. Er saß barfuß auf der räudigen Couch, schnitt sich die Zehennägel und sammelte die abgeschnittenen Teile in der hohlen Hand.
    »Wer sagt denn, dass wir fair sein müssen? Am Schluss entscheidet immer Max oder Eb.«
    »Trotzdem«, sagte Eberhard, »wir sollten uns einigen.«
    »Also machen wir’s per Akklamation? Wie die alten Spartaner. Beifall dafür und Buhrufe dagegen?«
    »Nicht nötig, den Hund auch noch zu ermuntern«, sagte Eberhard, immer noch mit der Verteilung beschäftigt. »Eine normale Diskussion müsste reichen. Eleschen?«
    »Ach, mir ist das egal. Nehmen wir sie halt mit. Mann , Jason, das ist ja eklig! Musst du das unbedingt hier machen?«
    »Jason?«
    »Geht nicht anders, die tun sonst weh, wenn ich renne …«
    »Jason.«
    »Kommt nicht in die Tüte. Die kann noch nicht mal ihren eigenen Schwanz fangen, geschweige denn …«
    »Ja, okay. Ich schließe mich Max an, damit steht es zwei dafür und drei dagegen…«
    »Und was ist mit Ben?«, fragte Natsuko gekränkt, und Jason kicherte.
    »Ach ja. Was sagt Ben?«
    Ihm zog es den Magen zusammen. Es war, als sei er gerade hereingekommen und sie hätten alle über ihn gelacht. Eberhard schaute von seiner Arbeit auf, nicht überrascht, aber eine Spur zu höflich.
    »Ja, natürlich, entschuldige, Ben. Hast du eine Meinung zu Sylvia, die du uns mitteilen möchtest?«
    »Nehmt sie mit«, sagte er, und Max stöhnte auf und ging weg, während Eberhard seine Brille abnahm und sie putzte, als wollte er Zeit gewinnen und eine Fortsetzung des Gesprächs vermeiden.
    »Warum?«, fragte Max und kam zurück. »Warum sagst du, nehmt sie mit? Ich sag dir, warum. Weil Natsuko es will. Und weil du Natsuko willst. Das heißt, nein. Denkst du, weil du zwei kleine Vögel erlegt hast, weißt du auf einmal alles über die Jagd?«
    »Nein, nein, ich weiß schon…«, setzte er an, aber Natsuko antwortete statt seiner, Jason mischte

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