Verborgene Liebesglut
und Wilcox machte sich auf die Suche nach seinem Butler.
Überraschenderweise gestaltete sich der Ausflug doch angenehmer, als Wilcox erwartet hatte. Stanton hatte sich sofort bereit erklärt, den jungen Mann wie eine Schatztruhe zu bewachen. Somit war Wilcox einigermaßen beruhigt, und die kleine Gruppe konnte getrost aufbrechen. Fiorinda hatte in der Chaise Platz genommen, während Wilcox und der Major es vorzogen zu reiten. Als der kleine Troß langsam die Auffahrt hinaufzog, zügelte Wilcox sein Pferd und wandte sich noch einmal um.
Wie ungern verließ er nun das Haus, in dem sein junger Schützling schlief. Doch was konnte man tun, außer zu warten, bis Philippe wieder gesund und die Damen abgereist waren? Sofort danach müßten neue Entscheidungen getroffen werden, was die Zukunft des jungen Mannes anging. Sollten sich die politischen Verhältnisse in Frankreich nicht entschieden ändern, müßte ein besserer Schlupfwinkel für ihn gesucht werden.
Doch wie lange konnte Philippe dieses Versteckspiel durchhalten? Wo war er wirklich sicher? All diese Fragen weckten sorgenvolle Erinnerungen in Wilcox. Hatte er es nicht wieder mit den dunkelsten Auswirkungen des Krieges zu tun? Obwohl in diesem Moment Blenfield Park als ein Hort des Friedens vor ihm erstrahlte, wußte er, daß Verrat und Meuchelei auch in dieser ländlichen Idylle jederzeit Einzug halten konnten.
„Wilcox", ertönte die Stimme des Majors, „wenn wir nicht bald aufbrechen, werden wir heute abend nicht zeitig zurückkehren."
„Ja, Thomas, du hast recht. Wir sollten uns auf den Weg machen."
Auch Fiorinda blickte ihn, aufrecht in ihrer Kutsche sitzend, erwartungsvoll an. „Mir scheint, mein Freund, daß wir wenigstens diesen kleinen Ausflug unbeschwert genießen sollten. Die Sorgen um Ihren kleinen Diener haben meiner Mutter und mir die Nachtruhe vergällt." Fiorinda lächelte „Doch soll dieser kleine Wermutstropfen nicht unsere Landpartie trüben. Ein starker Mann wie Sie braucht viel Bewegung und den täglichen Ritt. Sie verstehen?" Sie gab ihrem Kutscher einen Wink, und der Zweispanner rollte davon.
Sofort hatte der Major seinen Freund erreicht. „Bleib ganz ruhig", der Major faßte ihn am Arm. „Ich weiß, was du jetzt denkst, aber laß dir nichts anmerken. Dieser Spuk wird bald vorbei sein. Ein Blick in deine Augen reicht aus, um zu erkennen, daß du das kleine Luder am liebsten sofort nach Hause schicken würdest. Ist es nicht so?"
Wilcox schwieg und blickte der Kutsche nach, die bereits mit einer kleinen Staubwolke hinter der ersten Wegbiegung verschwunden war.
„Meine gute Erziehung wird bald nicht mehr dazu ausreichen, dieses verschlafene Fräulein und ihre Mutter zu ertragen. Doch ich sehe ein, daß wir hier nichts mehr tun können. Vielleicht sollten wir für einen Moment wirklich alles vergessen."
Der Major blickte Wilcox beruhigt an. „So gefällst du mir besser. Und Fiorinda hat schon recht: Du brauchst einen Ausritt."
Wilcox lächelte ihn nachdenklich an, gab dann seinem Hengst die Sporen, und schon bald hatten die beiden Männer die Kutsche eingeholt.
Nach einiger Zeit – die Sonne hatte bereits den Zenit überschritten, und Blenfield war in der Ferne verschwunden – hatte die kleine Gesellschaft einen abgelegenen Winkel des Familienbesitzes erreicht, und man entschloß sich, unter einer alten, efeubewachsenen Linde das Lager aufzuschlagen, um Schutz vor der Mittagsonne zu finden. Rasch wurden Leinentücher auf der Wiese ausgebreitet und verschiedene Köstlichkeiten serviert, welche François mitgegeben hatte.
Erschöpft hatten sich die Männer niedergelegt und genossen den blauen Himmel, während Fiorinda mit spitzen Fingern die in Brandy eingelegten Früchte vertilgte. ,An einem solchen Tag scheint alles seine Schwere zu verlieren', dachte der Major bei sich und blickte zu Wilcox, der die Arme hinter dem Kopf verschränkt hatte und bereits in einen leichten Schlaf gefallen war.
Philippe hatte tief geschlafen und, wie er später dachte, von Wilcox geträumt. Er wurde wach, weil ihm der Schweiß in schweren Perlen von der Stirn tropfte. Unruhig richtete er sich auf, um nach dem Glas zu greifen, doch es war leer. Kraftlos sank er in seine Kissen zurück. Alles um ihn herum begann sich zu drehen, und er schloß die Augen.
Angestrengt versuchte er nachzudenken. Die Ereignisse der letzten Tage liefen an seinem inneren Auge vorüber. Er fühlte sich leer und einsam, doch dann sah er wieder Wilcox vor sich. Er sah,
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