Verborgene Liebesglut
gut gegen all deine Leiden ist. Es schmeckt zwar ein wenig streng, ist aber äußerst wirksam." Mit diesen Worten reichte sie ihm das Glas und half ihm, es an den Mund zu setzen. Für einen Moment funkelte ihr schwerer Mondstein vor seinen Augen auf, während er das erfrischende Wasser in gierigen Schlucken zu sich nahm.
Die kleine Picknickgesellschaft hatte angesichts herannahender schwerer Wolken beschlossen, unter einer kleinen Buchengruppe Schutz zu suchen und dort abzuwarten, ob ein Gewitter über sie hereinbrechen würde. Während Fiorinda ermattet an einen Baumstamm lehnte und der Kutscher mit flinken Händen das Geschirr einsammelte, standen Wilcox und der Major ein wenig abseits und blickten über das Tal hinweg.
„Vielleicht sollten wir doch aufbrechen, bevor wir klatschnaß werden." Fragend schaute Wilcox seinen Freund an.
„Kein Grund zur Sorge, mein Lieber. Es wäre nicht das erste Mal, daß wir unter Bäumen stehend das Ende eines harmlosen Frühlingsregens abwarten müssen", erwiderte der Major. „Wenn wir jetzt losreiten, werden wir auf dem Heimweg keinen geeigneten Unterschlupf finden können."
Unruhig begann der Lord auf der Stelle zu treten. „Ich befürchte nur", begann er, „daß sich Fiorinda eine Erkältung zuziehen wird. Sie hat dem Alkohol zu stark zugesprochen und scheint ein wenig unterkühlt zu sein." Mit einem Blick deutete er auf die junge Frau, die nun schlaff zusammengesunken am Boden saß.
„Aber Wilcox", antwortete der Major bestimmt, „ich kann kaum glauben, daß deine erste Sorge Fiorinda gilt. Sicherlich scheint sie etwas entkräftet zu sein, aber wir haben eine Wolldecke dabei, und der Kutscher wird auf sie achtgeben." Während er sprach, sah er den Unwillen in den Augen des Lords.
„Mir scheint vielmehr, daß deine Sorgen dem kranken Philippe gelten. Du solltest dem Arzt vertrauen. Nach all den Strapazen braucht Philippe viel Ruhe. Bald schon wird er bestimmt wieder wie ein junger Hund durch die Gegend tollen." Aufmunternd sprach er weiter. „Aber so kenne ich dich eben. Statt diesen herrlichen Frühlingstag bis zur Neige zu genießen, denkst du nur an andere. Du bist einfach unverbesserlich."
Wilcox lächelte und blickte ihn nachdenklich an. „Ja, du hast recht. Ich bin wohl etwas ungeduldig. Doch sobald der Regen vorüber ist, werde ich nach Blenfield zurückreiten. Und ich dulde keine Widerrede."
Der Major stimmte zu, und beide gingen langsam zu der Baumgruppe zurück, um der sichtlich angeschlagenen Fiorinda Gesellschaft zu leisten.
Mit einem Mal sahen sie einen Reiter, der durch den angrenzenden Wald auf sie zugaloppierte. Der Lord rannte ihm entgegen. „Es ist Stanton, und das kann nichts Gutes bedeuten." Im Nu hatte er den Diener erreicht und brachte das Pferd an den Zügeln zum Stehen.
„Mylord!" Stanton schnappte nach Luft. „Zum Glück sind Sie an der verabredeten Stelle. Ich dachte schon ..."
„So reden Sie doch, Stanton! Was ist passiert?" unterbrach ihn Wilcox.
„Mylord, ich weiß nicht ... ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll, aber ... Sie müssen sofort nach Blenfield kommen. Ich habe jede Stunde nach ihm geschaut, aber plötzlich ...", stammelte er.
„Beherrschen Sie sich, Stanton!" Wilcox blickte ihn entschlossen an. „Was ist passiert?" Doch im gleichen Moment wußte er, daß es um Philippe ging.
„Mylord, es geht ihm sehr schlecht. Der Arzt ist sofort gekommen, aber es geht ihm wirklich schlecht. O Gott, Sie müssen sofort kommen."
Kaum hatte Stanton ausgesprochen, saß Wilcox auch schon auf seinem Pferd. „Thomas, du kümmerst dich um sie. Wir sehen uns gleich im Schloß!" Augenblicklich galoppierte er los und ließ den Major mit der verblüfften Fiorinda zurück.
Mittlerweile hatten sich die Wolken verdichtet, und erste Windböen kündigten ein Unwetter an. Wilcox gab seinem Pferd die Sporen, doch der einsetzende Sturm und umgestürzte Bäume behinderten ihn.
In kurzer Zeit hatte sich der liebliche Frühlingstag in ein tosendes Unwetter verwandelt, und Blitze erschreckten den Hengst, der von Wilcox mit starker Hand Richtung Heimat getrieben wurde.
Warum nur hatte er Philippe alleine im Schloß zurückgelassen und nicht auf seinen Instinkt gehört? Wilcox war wütend auf sich selbst. Der stürmische Regen paßte zu den Vorwürfen, die er sich nun machte.
Doch im Grunde hatte niemand damit gerechnet, daß sich Philippes Zustand verschlechtern könnte, und allzu bereitwillig hatte er auf den Rat des Arztes gehört.
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